AUTORINNEN UND AUTOREN
Am 19. Internationalen Literaturfestival
Leukerbad nehmen teil:
Liliana Corobca, Rumänien
Katharina Faber, Schweiz
Antonio Fian, Österreich
Aris Fioretos, Schweden/Deutschland
Roman Graf, Schweiz
Durs Grünbein, Deutschland
Händl Klaus, Österreich
Bodo Hell, Österreich
Gail Jones, Australien
Sema Kaygusuz, Türkei
Navid Kermani, Deutschland
Esther Kinsky, Deutschland
Pascale Kramer, Schweiz
Michel Layaz, Schweiz
Clarice Lispector, Brasilien
Jonas Lüscher, Schweiz
Tanja Maljartschuk, Ukraine/Österreich
Urs Mannhart, Schweiz
Maaza Mengiste, Äthiopien/USA
Nadifa Mohamed, Somalia/England
Térezia Mora, Deutschland
Benjamin Moser, Niederlande/USA
Charl-Pierre Naudé, Südafrika
Saša Stanišic, Deutschland
Jens Steiner, Schweiz
Raphael Urweider, Schweiz
Ernest Wichner, Deutschland
(Stand 25. Juni 2014)
Mircea Cartarescu
Mircea Cartarescu, 1956 geboren, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs in Bukarest auf, wo er heute lebt und arbeitet. Nach einem Philologie-Studium und einer mehrjährigen Tätigkeit als Hauptschullehrer arbeitete Cartarescu als Lektor für rumänische Sprache und Literatur an der Bukarester Universität.
Sein Hauptwerk ist die phantastische Trilogie ORBITOR (übersetzt «blendendes Licht»), von der bisher zwei Teile auf Deutsch erschienen sind: DIE WISSENDEN und DER KÖRPER. Der dritte Teil wird im Herbst 2014 herauskommen.
Gefeiert als ein Meisterwerk, versöhnt dieses Romanwerk die Erinnerung des Autors an das sozialistische Bukarest seiner Kindheit in einem uferlosen, überbordenden Erzählstrom mit der ganzen Welt und allen Zeiten. Cartarescu, der viele Tonlagen und Register beherrscht, nutzt diese Möglichkeiten: von den literarischen Klassikern wie Swift oder Proust bis zu Fantasy- und Horrorelementen. Kunstvoll und sprachgewaltig entwirft er einen Kosmos, in dessen Mittelpunkt doch der kleine Junge steht, der er einmal war. Aus dem Steinbruch seines Unbewussten fördert er Albträume, Halluzinationen und Phantasmagorien ans Tageslicht.
Die ORBITOR-Trilogie ist nicht nur eine Erinnerungs-, sondern auch eine Schöpfungsgeschichte, und die Realitätsebenen sind so grandios ineinander verwoben, dass man an vielen Stellen von kosmischen Visionen sprechen muss und von einer Verschränkung aller Wissenschaften.
Er ist der Avancierteste und deshalb wohl wichtigste Autor des heutigen Rumäniens. Ausserhalb seines Heimatlandes wird er bereits mit Joyce, Proust und Pynchon verglichen.
DER KÖRPER. Roman. Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka und Ferdinand Leopold. Zsolnay Verlag 2011
TRAVESTIE. Roman. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Suhrkamp Verlag 2010
DIE WISSENDEN. Roman. Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka. Zsolnay Verlag 2007, Deutscher Taschenbuch Verlag 2009
WARUM WIR DIE FRAUEN LIEBEN. Geschichten. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Suhrkamp Verlag 2008
Liliana Corobca
Liliana Corobca, 1975 in Saseni-Calarasi geboren, einem kleinen Dorf in der Republik Moldau, lebt heute als Autorin und Literaturwissenschaftlerin in Bukarest. 2003 veröffentlichte sie ihren ersten Roman NEGRISSIMO. Ihr zweiter Roman EIN JAHR IM PARADIES (2005) erschien 2009 in italienischer und 2011 in deutscher Übersetzung. Im vergangenen Jahr publizierte sie ihren dritten Roman KINDERLAND und ihre umfangreiche Studie KONTROLLE DER BÜCHER. DIE ZENSUR IM KOMMUNISTISCHEN RUMÄNIEN.
Der Roman EIN JAHR IM PARADIES beschreibt alles andere als ein Paradies. Die junge Frau Sonia aus der Provinz eines südosteuropäischen Landes wird an der Universität nicht aufgenommen. Der Ausbruch aus den kümmerlichen Lebensumständen scheint in weite Ferne gerückt. Da taucht Pavel auf und weckt neue Hoffnung: «Du verdienst ein Jahr lang Geld, dann studierst du dort, wo du möchtest, (...) so hat es auch meine Schwester gemacht.» Das Paradies entpuppt sich als Bordell, als menschenverachtendes Gefängnis, in das Sonia mit weiteren jungen Frauen verschleppt wird. Liliana Corobca schildert eine grausame Welt, ohne sich in schockierenden Details zu verlieren. «Vor den Augen des Lesers ersteht eine fiktive Lebensrealität, die mitunter bis ins Surreale gesteigert scheint.» (Anke Pfeifer im Forum literaturkritik.de) Jedes Mädchen in dieser abgeschlossenen Welt hat sein eigenes Schicksal. Liliana Corobca entrollt Dialoge, Gedanken, Träume: Zeugnisse schier unerträglicher Leben.
EIN JAHR IM PARADIES. Roman. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. merz&solitude, Reihe Literatur 2011
Katharina Faber
Katharina Faber, 1952 in Zürich geboren, arbeitete als Ärztin, bevor sie mit ihrem Debüt MANCHMAL SEHE ICH AM HIMMEL EINEN ENDLOS WEITEN STRAND im deutschsprachigen Raum als Autorin wahrgenommen wurde und gar Aufnahme fand in die Anthologie Beste deutsche Erzähler 2003.
Mit ihrem letzten Roman FREMDE SIGNALE begeisterte sie Feuilleton und Leserschaft gleichermassen. Das Deutschlandradio meinte: «Mit diesem Roman verdient die Schriftstellerin Katharina Faber endlich, als eine der besten Autorinnen der Schweiz wahrgenommen zu werden». Hubert Winkels nannte sie in der «Zeit» eine «grossartige Autorin», «Die Presse» aus Wien fand das Buch «zärtlich, unsensationell, melancholisch, schön», und die Schriftstellerin Milena Moser meinte schlicht: «Dieses Buch macht glücklich».
Fabers dichte Sprache fordert ihre Leserinnen und Leser, ihre Texte, ob Prosa oder Lyrik, berühren. Ihre Figuren begleiten einen in die nicht-literarische Welt und erweisen sich dort als erstaunlich alltagstauglich. Lyrik ist für die Autorin eine wichtige Begleiterin. In Leukerbad wird sie Gedichte der letzten Jahre erstmals vorstellen. Und – zusammen mit dem Biografen Benjamin Moser – ins Werk der brasilianischen Autorin Clarice Lispector einführen. 1977 verstorben, gilt diese als wichtigste Frauenstimme der neuen südamerikanischen Literatur. Im deutschen Sprachraum ist sie noch zu entdecken.
(siehe «Ein Abend für Clarice»)
FREMDE SIGNALE. Roman. Bilgerverlag 2008
MIT EINEM MESSER ZÄHLE ICH DIE ZEIT. Erzählungen. Bilgerverlag 2005
MANCHMAL SEHE ICH AM HIMMEL EINEN ENDLOS WEITEN STRAND. Roman. Bilgerverlag 2002
Antonio Fian
Antonio Fian, 1956 in Klagenfurt geboren, lebt seit 1976 in Wien und kommentiert mit seinen Dramoletten in unregelmässigen Abständen vor allem das österreichische Kultur- und Geistesleben.
Jetzt überrascht er mit DAS POLYKRATESSYNDROM, einem bitterbösen, witzigen Psychothriller. Artur, der Ich-Erzähler, führt eine unspektakuläre Ehe mit der Mittelschullehrerin Rita. Akademiker zwar, jobbt er in einem Kopierzentrum und als Nachhilfelehrer, ist ganz allgemein nicht sonderlich ehrgeizig oder anspruchsvoll – bis eines Tages eine gewisse Alice den Copyshop betritt und eine Notiz hinterlässt ...
Was nun ins Rollen kommt, ist eine Zeit lang ausgesprochen komisch. Diese Komik nimmt aber immer düsterere, schliesslich grauenhafte, wie einem Splattermovie entsprungene Formen an. Die bisher satten und zufriedenen, vielleicht gar glücklichen Romanfiguren sehen sich unausweichlich in Handlungen verstrickt, die weder sie sich selbst noch die Leser ihnen jemals zugetraut hätten.
«Es geht uns allen viel zu gut. Die Kinder sollen’s einmal besser haben». Der kurze Text DIE GUTEN ELTERN aus Antonio Fians Gedichtband FERTIGE GEDICHTE bringt das Polykrates-Syndrom auf den Punkt: Die Steigerung allzu grossen Glücks ist möglicherweise grösstmögliches Unglück. Das sagt zumindest eine tief in uns verwurzelte Angst. Diese Angst und ihre Folgen stehen im Zentrum von Fians Roman.
DAS POLYKRATESSYNDROM. Roman. Droschl Verlag 2014
MAN KANN NICHT ALLES WISSEN. Dramolette V. Droschl Verlag 2011
IM SCHLAF. Erzählungen nach Träumen. Droschl Verlag 2009
BOHRENDE FRAGEN. Dramolette IV. Droschl Verlag 2007
Aris Fioretos
Aris Fioretos wurde 1960 in Göteborg als Sohn einer Österreicherin und eines Griechen geboren. Der habilitierte Literaturwissenschaftler veröffentlichte 1991 sein erstes literarisches Werk. Aris Fioretos lebt als freier Schriftsteller in Berlin und übersetzt zudem Werke von Paul Auster, Friedrich Hölderlin, Vladimir Nabokov, Walter Serner und Peter Waterhouse ins Schwedische. Von 2004 bis 2007 Botschaftsrat für kulturelle Fragen an der Schwedischen Botschaft in Berlin, ist er seit 2010 Professor für Ästhetik an der Hochschule Södertörn bei Stockholm und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.
Über seinen jüngsten Roman schreibt die «Zeit»: «Mit DIE HALBE SONNE hat er nicht nur einen Nekrolog auf den eigenen Vater geschrieben, sondern indirekt auch einen Nekrolog auf ein Vatermodell, das vielleicht jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gerade verschwindet. Und bevor wir es inmitten dekonstruierter, nur mehr von sozialen Optionen oder Reagenzgläsern begründeter Familienverhältnisse nicht mehr erleben und erkennen, wird es noch einmal gefeiert.»
In Leukerbad wird Aris Fioretos seinen Roman vorstellen und ein «Dichterduett à la carte» mit Durs Grünbein führen: Die Entstehung des Buches VERABREDUNGEN, in dem Aris Fioretos und Durs Grünbein ihre über Jahrzehnte dauernden Gespräche aufgezeichnet haben, wird also live nachzuverfolgen sein – ein literarisch-zeitgenössischer Schlagabtausch auf höchstem, auch unterhaltendem Niveau.
DIE HALBE SONNE. EIN BUCH ÜBER EINEN VATER. Roman. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Hanser Verlag 2013
Durs Grünbein, Aris Fioretos. VERABREDUNGEN. Gespräche und Gegensätze über Jahrzehnte. Suhrkamp 2013
DER LETZTE GRIECHE. Roman. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Hanser Verlag 2011
Roman Graf
Roman Graf, 1978 in Winterthur geboren, lebt heute als freier Autor in Berlin und in der Schweiz. Er veröffentlicht Prosa und Lyrik. Nach einer Ausbildung als Forstwart arbeitete er als Behindertenbetreuer und als Journalist. Er studierte Journalismus in Zürich, literarisches Schreiben am Leipziger Literaturinstitut.
Sein Roman NIEDERGANG schildert die Bergtour eines jungen Paars. Der in Berlin lebende Schweizer André will seiner deutschen Freundin Louise das Bergsteigen in seiner alten Heimat näherbringen; er bezieht sich dabei auf literarische Vorlagen von Ludwig Hohl bis Robert Walser. Die NZZ fasst zusammen: «Roman Graf beherrscht das postmoderne Spiel mit literarischen Vorlagen souverän. Es scheint sein Erzählprinzip zu sein: Der Autor übernimmt, zugleich ernsthaft und doch nicht ganz ernst gemeint, den Erzählton eines von den Rändern her und an den Rändern schreibenden Schweizer Schriftstellers. Wirkte diese erzählerische Maskerade in Grafs Erstling HERR BLANC, wo er sich Robert Walsers Tonlage angeeignet hatte, noch allzu epigonenhaft, besticht in dem Roman NIEDERGANG die Komik und die ungeheuer lebendige und wuchtige Sprache. Trotz der monotonen Handlung – André und Louise tun nichts anderes, als hinaufzusteigen, darin liegt auch die Ironie des Titels – liest sich der Roman spannend, ja süffig. Der Erzähler blickt nicht in die Abgründe, die Ludwig Hohl in seinem Text aufgerissen hat, sondern in die Höhe. Und dort wartet die Befreiung – vom Zwang, den Gipfel zu erreichen.»
NIEDERGANG. Roman. Knaus-Verlag 2013
ZUR IRRFAHRT VERFÜHRT. Gedichte. Limmat Verlag 2010
HERR BLANC. Roman. Limmat Verlag 2009
Durs Grünbein
Durs Grünbein, 1962 in Dresden geboren, lebte von 1986 bis 2013 als Dichter, Übersetzer und Essayist in Berlin. Heute lebt er in Rom. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs führten ihn Reisen durch Europa, nach Südostasien und in die Vereinigten Staaten. Er war Gast des German Department der New York University und der Villa Aurora in Los Angeles.
Durs Grünbein wird mit einem neuen Gedichtzyklus nach Leukerbad reisen. Dieser geht von der Sehnsucht aus, von verlorenen Erkenntnismühen einer im Kern romantisch gebliebenen Aufklärungskultur, die nichts anderes will, als zu sich zurückfinden, den Mond betrachten, als sei er immer noch da.
Grünbein bringt noch anderes mit im literarischen Gepäck. Wenige Jahre nach dem Fall der Mauer lernen sich ein deutscher Dichter und ein schwedischer Romancier kennen, schliessen Freundschaft. Beide am Anfang ihrer schriftstellerischen Laufbahn, beide aber in den zeitgenössischen Debatten zu Hause, den ästhetischen, weltanschaulichen, politischen. Beide weder ortsgebunden noch ortsfest, ständig auf Reisen.
Sechs Debatten zwischen Durs Grünbein und Aris Fioretos sind in Buchform dokumentiert: Kreuz- und Querzüge, vorgeschobene Positionen, mutwillige Kontroversen, geistesgegenwärtige Schlagabtausche, gut gelaunte Stimmen, die einander mit Volten und Finten überraschen. Aber auch nach den Trennungen endet ihr Dialog nicht. Sie tauschen Postkarten aus, stellen Fragen und geben Antworten: pointierte Zwischenspiele mit vorderseitigen Motiven und hintergründigen Bezügen – ein Dichterduett à la carte. Ein solches Gespräch werden Durs Grünbein und Aris Fioretos in Leukerbad vor Publikum führen.
CYRANO ODER DIE RÜCKKEHR VOM MOND. Gedichte. Suhrkamp 2014
Durs Grünbein, Aris Fioretos. VERABREDUNGEN. Gespräche und Gegensätze über Jahrzehnte. Suhrkamp 2013
KOLOSS IM NEBEL. Gedichte. Suhrkamp 2012
Händl Klaus
Klaus Händl oder Händl Klaus, wie er sich als Künstler nennt, wurde 1969 bei Innsbruck geboren. Er lebt in Wien, Berlin und am Bielersee. Händl Klaus arbeitet auf allen Sprachkanälen: Er schreibt Drehbücher und führt Regie, publiziert Hörspiele, Libretti und Prosa – vor allem zu nennen ist der Erzählband LEGENDEN. Von der Bühne hat er sich zurückgezogen, taucht aber als Filmschauspieler immer wieder auf der Kinoleinwand auf.
Die «taz» feiert ihn als «Sprachkünstler, wie man ihn in der gegenwärtigen Dramatik nur selten findet» und stellt ihn in eine Reihe mit Edgar Allen Poe, Alfred Hitchcock, Franz Kafka und David Lynch.
Händl Klaus bewegt sich virtuos zwischen den Gattungen und nutzt alle Möglichkeiten der Sprache. Musik und den körperlichen Ausdruck des Theaters setzt er gezielt ein, um weitere Sinne anzusprechen und seine komplexen Ideen umsetzen zu können. Er selbst sagt über seinen Bezug zum Musiktheater: «Dazu kommt die Verortung in einem musikalischen Spannungsfeld, dieser unglaubliche Austausch mit dem Organismus im Orchestergraben. Alle atmen miteinander aus und ein. Sänger verstehen, dass ihre Stimme aufgeht in dem Ganzen, dass es Einsätze gibt, Bezugnahme auf andere Linien, dieses Geflecht aus allem, und darin die stete Widerrede, oder Antwort ... ein Gesamtkörper entsteht.»
Mit Raphael Urweider hat Händl Klaus das einzige Mundartstück von Robert Walser, DER TEICH, ins Hochdeutsche übersetzt und wird dieses am Literaturfestival vorstellen.
Robert Walser. DER TEICH. Szenen. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Schweizerdeutschen von Händl Klaus und Raphael Urweider. Mit 7 Holzschnitten von Christian Thanhäuser. Hg. und mit einem Nachwort von Reto Sorg. Insel 2014
STÜCKE. Droschl 2006
LEGENDEN. 35 Prosastücke. Droschl 1994
Bodo Hell
Bodo Hell, 1943 in Salzburg geboren, studierte am Mozarteum Orgel. In Wien dann Philosophie, Germanistik und Geschichte und an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Film und Fernsehen. Danach entschied er, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Bodo Hell lebt in Wien und im Sommer seit über dreissig Jahren am Dachstein in der Steiermark, wo er 140 Rinder betreut. Diese Zeit dient ihm nicht nur als Inspiration, die harte Arbeit eines Alphirts lässt ihn auch die Bodenhaftung behalten.
Er arbeitete unter anderem mit Friederike Mayröcker, seiner Leitfigur im Bereich der Prosa, und mit Ernst Jandl, für ihn ein richtungsweisender Lyriker. Bodo Hell sieht sich selbst als «faktenorientierten» Autor. Er recherchiert sorgfältig und verwebt die Fakten mit differenzierten sprachlichen Methoden zu Prosa. Avantgarde und Tradition mischen sich. Seine Texte öffnen sich Klängen, Bildern, Fotografien.
Meister eines Montage-Realismus, verhilft er dem Alltag, das heisst dem ganz normalen Wahnsinn, zur Sprache, verschafft dem Leser auf amüsante Weise Einblicke in sich selbst und ins Haus, das er bewohnt, ins Tollhaus unserer Gesellschaft.
Der BODO HELL OMNIBUS, Titel seines letzten Buches, enthält neben Analysen, Kommentaren und Laudationes auch eine repräsentative Auswahl literarischer Texte – eine erstklassige Einführung in Bodo Hells Werk.
Bodo Hell stellt am Literaturfestival Leukerbad den Ziegenfilm «Im Augenblick» vor.
BODO HELL OMNIBUS. Texte von / Beiträge zu Bodo Hell. Droschl Verlag 2013
NOTHELFER. Essays. Droschl Verlag 2008
TRACHT: PFLICHT. Lese- und Sprechtexte. Droschl Verlag 2003
DER DONNER DES STILLHALTENS / LARVEN SCHEMEN PHANTOME. Mit Friederike Mayröcker. Droschl Verlag 1986
Gail Jones
Raoul Schrott hält sie «für eine der besten Schriftstellerinnen seiner Generation». Doch Gail Jones, die 1955 in Westaustralien zur Welt kam, ist im deutschen Sprachraum noch immer ein Geheimtipp. Liegt das vielleicht daran, dass die studierte Kultur- und Kommunikationswissenschaftlerin eine nach angelsächsischer Manier «gelehrte Autorin» ist? Gail Jones lehrt Kreatives Schreiben an der University of Western Sydney und forscht über die sozialen Dimensionen des Lesens und Schreibens. Ihre Romane sind charakterisiert von einer ästhetisch-geistigen Selbstreflexion, einer Mischung aus Imagination und essayistischer Intelligenz.
Ihre vielfach preisgekrönten Romane – 2002 debütierte sie mit BLACK MIRROR, ihr fünfter Roman FIVE BELLS erschien 2011 – überschreiten auch geografische Grenzen. Oft finden sich ihre Protagonistinnen (meist stehen weibliche Figuren im Mittelpunkt) auf mehreren Kontinenten und damit in unterschiedlichen Kulturen wieder.
EIN SAMSTAG IN SYDNEY ist ein flirrender Text, ein filigranes Stück Literatur, das den vier Hauptpersonen mit grosser Intensität nachspürt, ohne jemals aufdringlich zu sein. «Eine grandiose Erzählung über das Gewicht der Erinnerung, zart und anrührend», urteilt der Schriftstellerkollege und Seelenverwandte Ilija Trojanow über das Buch der «Weltensammlerin» Gail Jones, die in Indien, Irland, Frankreich und den USA gearbeitet hat. 2014 ist Gail Jones Jahresstipendiatin des DAAD in Deutschland.
In Zusammenarbeit mit dem DAAD – Deutscher Akademischer Austauschdienst.
EIN SAMSTAG IN SYDNEY. Roman. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Nautilus Verlag 2013
PERDITA. Roman. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Nautilus Verlag 2010
SECHZIG LICHTER. Roman. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Nautilus Verlag 2008
Sema Kaygusuz
Sema Kaygusuz wurde 1972 an der türkischen Schwarzmeerküste in Samsun geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in verschiedenen Städten Anatoliens, da das Militär ihren Vater immer wieder versetzte. Sie gewann früh einen Einblick in die landschaftliche und kulturelle Vielfalt ihres Heimatlandes, die bis heute das narrative Panorama ihrer literarischen Arbeiten bildet.
Mit ihrem ersten Roman YERE DÜSEN DUALAR, auf deutsch WEIN UND GOLD, wurde Sema Kaygusuz über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Sie erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die, mit der erschütterten Identität ihres alkoholkranken Vaters konfrontiert, dessen seelische Verletzungen durch selbst erdachte mythologische Geschichten zu heilen versucht. Die orale Tradition ihrer Heimat inspiriert sie: «Meine Urgrossmutter war Erzählerin. Und ihre Tochter hat bei Hochzeiten Gedichte vorgetragen », berichtet sie in einem Interview. Sie schreibe nun alles auf und lese es sich dann laut vor. «Ich arbeite mit den Worten, als wären es Musiknoten». In allen Werken Kaygusuz’ erklingt eine musikalisch inspirierte und zugleich bildreiche Sprache.
Ihre Erzählungen, einige sind im Band SCHWARZE GALLE auf Deutsch erschienen, sind von grosser poetischer Kraft und erinnern an traurige Mythen und fröhliche Märchen, sind jedoch so in das Heute eingebettet, dass sie zum Teil als politischer Kommentar gelesen werden können.
Sema Kaygusuz etablierte sich als unverwechselbare Stimme im Kanon der jungen türkischen Literatur, die sich verstärkt mit der eigenen Identität auseinandersetzt. In ihrer Heimat gilt die junge Autorin als eine der grössten schriftstellerischen Hoffnungen.
SCHWARZE GALLE. Geschichten. Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe. Matthes & Seits 2013
WEIN UND GOLD. Roman. Aus dem Türkischen von Barbara Yurtdas und Hüseyin Yurtdas. Suhrkamp Verlag 2008
Navid Kermani
Der 1967 in Siegen geborene Orientalist Navid Kermani, Autor religionsphilosophischer Abhandlungen, ist ein grosser Kenner der islamischen Mystik. 2011 erschien sein fulminanter 1200-Seiten-Roman DEIN NAME.
Auch in seinem neuen, autobiografisch grundierten Roman GROSSE LIEBE scheut er nicht vor den wesentlichen Fragen zurück: Wie erinnern wir uns? Wie viel Wahrheit und wie viele Verleugnungen, Idealisierungen, Stilisierungen, wie viele Verdrängungen stecken in unseren Erinnerungsbildern? Und die grösste aller Fragen: Was ist das Geheimnis der Liebe?
In hundert Kapiteln, die anstelle von Seitenzahlen den Roman strukturieren und zugleich für hundert Schreibtage stehen sollen, ruft sich der Erzähler seine erste grosse Liebe in Erinnerung. Sie liegt dreissig Jahre zurück. Er verliebt sich in «die Schönste des Schulhofs», eine vier Jahre ältere Abiturientin, die sich in der Raucherecke von ihren gleichaltrigen Mitschülern umschwärmen lässt. Obwohl er als Schüler der Mittelstufe noch nicht in der Raucherecke antreten darf, treibt er sich dort immer wieder herum, versucht einen Blick der Angebeteten zu erhaschen und lässt sich von den Lehrern widerstrebend wegschicken.
Die 1980er Jahre mit den Friedensmärschen und den Blockaden bilden das zeitliche Umfeld der Geschichte – Gelegenheit für ironische Seitenhiebe auf WG-Gebräuche, schlabbrige Kleidung und die Entdeckung der sexuellen Freiheit. Wie er seine Liebe dennoch erobert und binnen nur einer Woche wieder verliert, davon handelt diese hinreissende, anrührende und manchmal auch sehr komische Liebesgeschichte.
GROSSE LIEBE. Roman. Hanser Verlag 2014
DAS BUCH DER VON NEIL YOUNG GETÖTETEN. Essay. Suhrkamp Verlag 2013
AUSNAHMEZUSTAND. REISEN IN EINE BEUNRUHIGTE WELT. Reportagen. Hanser Verlag 2013
DEIN NAME. Roman. Hanser Verlag 2011
Esther Kinsky
Die Slawistin Esther Kinsky, geboren 1956, hat sich nicht nur einen Namen als Übersetzerin wichtiger Stimmen der polnischen und russischen Literatur gemacht, sondern auch als Autorin von Prosa und Lyrik. Ihre unverbrauchte, eigenständige Sprache überhöht und erdet zugleich.
Das nördliche Banat ist Schauplatz ihres letzten Romans BANATSKO, den unter vielen Feuilletons auch die FAZ feierte: «Wie sehr der Blick ins je andere Land vom Standort abhängt und der Sprache, die man spricht, weiss kaum jemand besser als die Übersetzerin Kinsky mit ihren Übertragungen aus dem Polnischen, Russischen und Englischen. Und so macht sie auch als Autorin ihre Grenzlandreflexionen zu einem Ereignis der Sprache. Man riecht, schmeckt, hört, sieht dieses Land, weil Kinsky es wie ein Fotoalbum langsam durchblättert.»
In FREMDSPRECHEN lässt sie uns teilhaben an ihren Gedanken zum Übersetzen. Dabei erhebt sie keinen Anspruch auf eine abschliessende Beurteilung, nimmt jedoch eine eigene Haltung ein: «Ich halte nicht viel von der Betonung der Rolle des Übersetzers als ‹Brückenbauer› und Kulturvermittler. Der Übersetzer ist kein Fremdenführer, auch wenn die Fremde sein Gegenstand ist. (...) Das Wesentliche an der Sprache ist daher nicht der Status des abgeschlossenen Werks, sondern die Art und Weise, wie sie Zeugnis ablegt von der Auseinandersetzung mit den beiden Gegebenheiten des Menschseins: Sprache und Fremde.» Am Literaturfestival Leukerbad werden Esther Kinsky und Jürg Laederach ein Gespräch zum Thema Übersetzen führen.
FREMDSPRECHEN. GEDANKEN ZUM ÜBERSETZEN. Matthes & Seitz 2013
AUFBRUCH NACH PATAGONIEN. Lyrik. Matthes & Seitz 2012
NATURSCHUTZGEBIET. Gedichte und Fotografien. Matthes & Seitz 2013
BANATSKO. Roman. Matthes & Seitz 2010
Pascale Kramer
Pascale Kramer, 1961 in Genf geboren, studierte in Lausanne, lebte vorübergehend in Zürich und wohnt seit 1986 in Paris. 2002 gründete sie die Agentur «BookToFilm Properties Market Corp» in Kalifornien.
Pascale Kramer greift immer wieder brisante Themen auf und bringt sie uns als Familiendramen nah. In ihrem neuen Roman DIE UNERBITTLICHE BRUTALITÄT DES ERWACHENS (in Frankreich mehrfach ausgezeichnet), erzählt sie die Geschichte zweier junger Menschen, denen Schritt für Schritt ihr Leben entgleitet. Samuel Moser in der NZZ: «Ohne Aufwand, beinahe ansatzlos und bestürzend nüchtern entwickelt Pascale Kramer ein Kammerspiel von millimetergenauer Präzision, atemraubender Dichte und existenzieller Dramatik.»
Könnte Alissa nicht glücklich sein? Soeben haben Richard und sie, einst das Traumpaar am College, ihre erste Wohnung in einer Anlage mit Swimmingpool bezogen – und in ihren Armen liegt ein zwei Wochen altes Baby. Doch die junge Mutter fühlt sich der Verantwortung nicht gewachsen und verlassen wie nie zuvor. Sie beginnt, das Kind zu vernachlässigen, während Richard in Verzweiflung versinkt, als sein Freund als Krüppel aus dem Irakkrieg zurückkehrt.
In Pascale Kramers Roman sind wir unmittelbar dabei, wenn das Leben die Protagonisten in einem unerbittlichen Sog in den Abgrund reisst. Die Autorin zeichnet den Schmerz durch kleine Gesten; sie geht nah an ihre Figuren heran, ohne sie psychologisch zu analysieren. Erstaunlich, dass diese grossartige Autorin im deutschen Sprachraum immer noch kaum bekannt ist.
DIE UNERBITTLICHE BRUTALITÄT DES ERWACHENS. Roman. Aus dem Französischen von Andrea Spingler. Rotpunktverlag 2013
L’IMPLACABLE BRUTALITÉ DU REVEIL. Roman. Mercure de France 2009
UN HOMME ÉBRANLÉ. Roman. Mercure de France, 2011
GLORIA. Roman. Flammarion 2013
Jürg Laederach
Jürg Laederach, 1945 in Basel geboren, studierte an der ETH Zürich Mathematik und Physik und an der Universität Basel Romanistik, Anglistik und Musikwissenschaften.
Er gehört zu den wenigen Schweizer Autoren, die elegant Aspekte des Komischen beherrschen: Witz, Parodie, Satire. Die Texte, gespickt mit Wortspielen, Pointen, ironischen Untertönen, liefern zu den Hauptsätzen das Echo. Laederach ist ein schneller Denker; seine Begabung, Entlegenes in einer Sekunde, einer Bewegung, in einem Satz zusammenzubringen, führt ihn unweigerlich in die Bereiche des Komischen. Der Witz lebt vom Blitz, der zwischen anscheinend unvereinbaren Welten eine Brücke schlägt.
Jürg Laederach zählt zu den radikalen Minimalisten der zeitgenössischen Autoren. Mit seinen sprachlichen Mitteln treibt er das Erzählen an die äussersten Grenzen; seine Texte sind imaginäre Bühnen, auf denen sich der Widerstreit zwischen Schreibakt und Tilgungsprozess abspielt. Aus diesem Kraftfeld ist ein eigenständiges und schillerndes Œuvre entstanden.
Dazu gehört auch ein umfangreiches Kritik- und Übersetzungswerk, das in zwei Sprachen an die Spitze und in die ersten Kreise führt – zu Raymond Roussel, Maurice Blanchot, Gertrude Stein, William Carlos Williams, Thomas Pynchon.
In Leukerbad wird er, neben einer kurzen Lesung, ein Gespräch führen mit der Autorin und Übersetzerin Esther Kinsky zum Verhältnis zwischen Namen und Dingen und den Veränderungen, die sich im Prozess des Übersetzens in diesem Verhältnis vollziehen.
HARMFULS HÖLLE IN DREIZEHN EPISODEN. Suhrkamp Verlag 2011
DEPESCHEN NACH MAILAND. Herausgegeben von Michel Mettler. Suhrkamp Verlag 2009
IN HACKENSACK. Vier minimale Stücke. Urs Engeler Editor 2003
Übersetzungen u.a.: Maurice Blanchot und Walter Abish, Urs Engeler Editor, 2002–2006
Michel Layaz
Michel Layaz, geboren 1963 in Fribourg, lebt in Lausanne und Paris. Mit seinen Romanen wurde er in der Westschweiz zu einem der wichtigsten Schriftsteller seiner Generation.
Der Roman DIE FRÖHLICHE MORITÄT VON DER BLEIBE, den Michel Layaz in Leukerbad zusammen mit seiner deutschen Übersetzerin Yla M. von Dach vorstellen wird, erschien im Original 2004.
Schauplatz ist Madame Viviannes merkwürdiges Institut namens «Die Bleibe». Die Pensionäre, die dort zuhause sind, möchte man als unangepasst, verhaltensauffällig, trottelig, wenn nicht gar als geistig behindert oder geistes-krank bezeichnen; das gilt auch für das hier tätige Personal. Alles falsch. Unter der Hand von Generaldirektorin Madame Vivianne erblüht hier eine Welt voller Poesie, die uns wohl gerade deshalb das Herz anrührt, weil wir spüren, dass an diesem Ort alles Platz findet, was in der Welt der Angepassten nicht oder nur verschämt existieren darf. Der Tor in uns allen hat hier Gastrecht, ja, er erfährt in der liebevollen Zuwendung des Chronisten Layaz` und durch die wundersame Wortmusik eine Art Auferstehung. «Die Bleibe» wird zu einem Ort der Sehnsucht, weil hier das Leben an sich gefeiert wird, in all seinen Formen, selbst den unwahrscheinlichsten, unbequemsten. Unter dem Sprachfeuerwerk, mit dem Michel Layaz diese Gegenwelt heraufbeschwört, schimmert auch eine so feine wie scharfe Kritik an unserer Normalwelt durch.
In Zusammenarbeit mit dem CTL – Centre de Traduction Littéraire Université de Lausanne.
DIE FRÖHLICHE MORITÄT VON DER BLEIBE. Roman. Aus dem Französischen von Yla M. von Dach. Verlag Die Brotsuppe 2014
LA JOYEUSE COMPLAINTE DE L’IDIOT. Roman. Éditions Zoé 2004
LE TAPIS DE COURSE. Roman. Éditions Zoé 2013
Clarice Lispector
Clarice Lispector (1920–1977) emigrierte als Kleinkind mit Eltern und Schwestern aus der Ukraine nach Brasilien und wuchs in Recife auf, in grosser Armut, im Schatten einer kranken gelähmten Mutter. Der Vater Pinchas Lispector schlug sich als Seifensieder und Hausierer durch. Die drei Schwestern entwuchsen dem Immigrantenelend und studierten. Clarice lernte in Rio an der Juristischen Fakultät ihren Mann Maury kennen, schrieb ihr erstes Buch, NAHE DEM WILDEN HERZEN, das sie auf einen Schlag berühmt machte, heiratete Maury Gurgel-Valente und reiste immerzu schreibend durch das Leben einer Botschaftergattin, trennte sich mit vierzig Jahren von ihrem Mann, zog in Rio de Janeiro ihre zwei Söhne gross, verdiente Geld mit eigenwilligen Kolumnen über Hautcremes und Tage am Meer, bis die Militärdiktatur sie aus dem Journalismus ausschloss. Mit 56 Jahren starb sie an Krebs, gezeichnet von einem beispiellos intensiven Leben, das uns Benjamin Moser hinreissend erzählt.
Wir verdanken es dem amerikanischen Autor Benjamin Moser und seinem Geniestreich, der Biographie mit dem Originaltitel WHY THIS WORLD, dass Clarice Lispector – in Brasilien höchst populär – jetzt endlich über einen kleinen Kreis hinaus in Europa und den USA als die aufregendste Stimme Lateinamerikas im 20. Jahrhundert entdeckt wird.
Katharina Faber, eine Bewunderin und Kennerin ihres Werks, wird Clarice Lispector zusammen mit Benjamin Moser vorstellen.
«Ein Abend für Clarice»
Benjamin Moser: CLARICE LISPECTOR. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Schöffling 2013
Das Frühwerk im Schöffling Verlag:
NAHE DEM WILDEN HERZEN. Aus dem Portugiesischen von Ray-Güde Mertin und Corinna Santa Cruz. 2013
DER LÜSTER. Aus dem Portugiesischen und mit einem Nachwort von Luis Ruby. 2013
Über ZVAB oder in Bibliotheken erhältlich:
DER APFEL IM DUNKELN. Roman. Aus dem Portugiesischen von Curt Meyer-Clason. Suhrkamp Verlag 1998
DIE NACHAHMUNG DER ROSE. Kurzgeschichten. Aus dem Portugiesischen von Curt Meyer-Clason. Suhrkamp Verlag 1985
DIE STUNDE DES STERNS. Erzählung. Aus dem Portugiesischen von Curt Meyer-Clason. Suhrkamp Verlag 1985
AQUA VIVA. Ein Zwiegespräch. Aus dem Portugiesischen von Sarita Brandt. Suhrkamp Verlag 1994
Jonas Lüscher
Nachdem Jonas Lüscher im letzten Jahr sein literarisches Debüt, die Novelle FRÜHLING DER BARBAREN, am Literaturfestival Leukerbad vorgestellt hat, reist er in diesem Jahr für das Übersetzungskolloquium bereits einige Tage früher ins Oberwallis.
FRÜHLING DER BARBAREN wurde viel gelobt und noch mehr gelesen. Der Tages-Anzeiger hält fest, dass Lüschers Novelle Literatur ist, «sich ihrer Künstlichkeit bewusst und diese inszenierend» und «auf unser Selbstverständnis, auf Defizite und Notwendigkeiten zielt.»
Der 1976 in der Schweiz geborene Jonas Lüscher lebt in München. Nach einer Ausbildung zum Primarschullehrer in Bern und einigen Jahren in der deutschen Filmindustrie studierte er an der Hochschule für Philosophie in München. Derzeit arbeitet er als Doktorand am Lehrstuhl für Philosophie der ETH Zürich. Das Thema seiner Arbeit ist bemerkenswert: Er versucht darin zu zeigen, dass Narrationen im Gegensatz zu den «zurzeit favorisierten» mathematischen Modellen das geeignetere Werkzeug sind, um komplexe soziale Probleme zu beschreiben. Dabei differenziert er: «Ich glaube nicht, dass man Literatur so schreiben kann und auch nicht so lesen sollte, als Beschreibungen beispielhafter Figuren oder Vorkommnisse, aus denen sich Schlüsse ziehen und ganze Typologien bilden lassen.»
Am diesjährigen Literaturfestival wird Jonas Lüscher aus einer noch unveröffentlichten Erzählung lesen – Teil einer Serie von Erzählungen zu Kalifornien.
FRÜHLING DER BARBAREN. Novelle. C.H. Beck 2013
Tanja Maljartschuk
Tanja Maljartschuk wurde 1983 in Iwano-Frankiwsk in der Ukraine geboren. Sie schloss an der dortigen Prykarpattia National Universität ein Philologiestudium ab und arbeitete einige Jahre als Journalistin bei verschiedenen Fernsehsendern in Kiew. Seit 2011 lebt und arbeitet sie in Wien.
In der Ukraine hat sie bisher sechs Bücher publiziert. Der Erzählband NEUNPROZENTIGER HAUSHALTSESSIG erschien 2009 als erstes Buch in deutscher Sprache, im letzten Jahr dann ihr neuster, wunderbar verspielter Roman BIOGRAFIE EINES ZUFÄLLIGEN WUNDERS.
Tanja Maljartschuk erzählt aus dem Leben in der Ukraine nach der politischen Wende aus der Perspektive eines Kindes. Das Mädchen und später die junge Frau Lena zeigt Mut und setzt sich zur Wehr. Sie hilft Armen und Unterdrückten. Engagiert sich für herrenlose Hunde und schlecht versorgte Körperbehinderte. Versucht ihrer Freundin zum Recht auf einen Rollstuhl zu verhelfen. Organisiert Demonstrationen und beschwert sich bei Behörden. Sie verliert den Kampf und landet im Irrenhaus. Aber eigentlich wollte sie nur fliegen lernen, weil sie von einer fliegenden Frau gehört hatte, die in heiklen Situationen hilft.
Dieser Roman hat durch die jüngsten Ereignisse in der Ukraine eine ungeahnte Aktualität bekommen. In bester Tradition intelligenten russischen Klamauks von Charms bis Bulgakow fabuliert Maljartschuk die Nicht-Karriere ihrer Heldin zusammen. Ein grosses Talent hat die Bühne der Weltliteratur betreten.
BIOGRAFIE EINES ZUFÄLLIGEN WUNDERS. Roman. Aus dem Ukrainischen von Anna Kauk. Residenz Verlag 2013
NEUNPROZENTIGER HAUSHALTSESSIG. Erzählungen. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Residenz Verlag 2009
Urs Mannhart
Urs Mannhart, 1975 im bernischen Rohrbach geboren, hat als Velokurier, Nachtwächter und Journalist gearbeitet – und gehört mit Christoph Simon und Lorenz Langenegger zu den Mitgliedern der Literaturgruppe «dieAutören». Im Bilgerverlag erschien 2004 der Roman LUCHS und 2006 DIE ANOMALIE DES GEOMAGNETISCHEN FELDES SÜDÖSTLICH VON DOMODOSSOLA.
Mannhart schrieb Reportagen aus Ungarn, Serbien, Kosovo, Rumänien, Russland, Weissrussland und der Ukraine. Jetzt ist sein lange erwartetes drittes Buch erschienen: BERGSTEIGEN IM FLACHLAND, ein mit 700 Seiten auch im Umfang grosser Europa-Roman.
Der Protagonist, Reporter Thomas Steinhövel, reist nach Skandinavien, wo das Blut der Fische heller ist und Frauen anders lieben. In die Wälder der Karpaten, wo ein uralter Berg viel Gold birgt, die Bewohner aber, um Geld zu verdienen, zum Erdbeerpflücken nach Spanien gehen oder nach Norwegen auf eine Bohrinsel. Er ist dabei, wie im tieferen Südosten eines Landes, das den jüngsten Krieg in Europa erlitten hat, gemordet wird, weil Menschen so sind, wie sie sind.
Urs Mannhart stellt in seinem Roman die Frage nach Recht und Gerechtigkeit in Europa und konfrontiert uns mit der zersplitterten, widersprüchlichen Identität unseres Kontinents – ohne die Menschen aus dem Blick zu verlieren. Er verbindet mit genauer Sprache Geschichten voller Leben, aufgeladen durch die politischen und sozialen Spannungen. Urs Mannhart ist zweifellos einer der interessantesten Autoren seiner Generation in der Schweiz.
BERGSTEIGEN IM FLACHLAND. Roman. Secession Verlag 2014
DIE ANOMALIE DES GEOMAGNETISCHEN FELDES SÜDÖSTLICH VON DOMODOSSOLA. Roman. Bilgerverlag 2006
LUCHS. Roman. Bilgerverlag 2004
Maaza Mengiste
Maaza Mengiste wurde 1971 in Addis Abeba, Äthiopien, geboren. Während der kommunistischen Revolution musste sie 1975 mit ihrer Familie das Land verlassen – und lebte in Nigeria, Kenia und schliesslich in den USA. Sie studierte Creative Writing an der New York University, wo sie heute lehrt. Ihr viel beachteter erster Roman UNTER DEN AUGEN DES LÖWEN wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Er erzählt am Beispiel einer Familie die blutigen Umbrüche im Äthiopien der 1970er Jahre.
Während furchtbare Hungersnöte den Norden des Landes heimsuchen, wächst in der Landeshauptstadt Addis Abeba der Widerstand gegen den alten Kaiser Haile Selassie. Dawit, der Sohn des bekannten Arztes Hailu, schliesst sich gegen den Willen des Vaters einer revolutionären Studentengruppe an. Als der Kaiser 1974 tatsächlich gestürzt und die jahrhundertealte Monarchie gewaltsam abgeschafft wird, kommt eine kommunistische Gruppierung an die Macht, die das Land in einen verheerenden Bürgerkrieg führt. In den Kriegswirren gerät Hailu in Schwierigkeiten, als er einer jungen Frau, die gefoltert wurde, zu sterben hilft. Dawit geht erneut in den Untergrund. Inzwischen ist sein enger Kindheitsfreund Mickey zu einem hochrangigen Polizisten aufgestiegen. Familienbande und Freundschaften sind brutalen Spannungen ausgesetzt.
Keine einfachen Charaktere, keine schlichten Wahrheiten. Maaza Mengiste vermittelt uns ein differenziertes Bild verfehlter Politik mit ihren verheerenden psychosozialen Wirkungen. Der Roman lässt den Leser tief in die jüngere, kaum verarbeitete äthiopische Geschichte blicken.
UNTER DEN AUGEN DES LÖWEN. Roman. Aus dem Englischen von Andreas Jandl. Wunderhorn Verlag 2012
BENEATH THE LION'S GAZE. Novel. Vintage 2011
Nadifa Mohamed
Nadifa Mohamed, 1981 geboren im somalischen Hargeisa, schreibt Romane jenseits der Afrika-Klischees. Sie zählt für die renommierte englische Literaturzeitschrift «Granta» zu den zwanzig besten britischen Schriftstellern unter 40 Jahren und gehört zu jenen, die nicht nur im angelsächsischen und französischsprachigen Raum, sondern zunehmend auch in Deutschland Aufmerksamkeit finden. Die Literaturkritikerin Sigrid Löffler spricht mit Blick auf diese Autoren von einer «neuen Weltliteratur»: Bücher überwiegend sehr gut ausgebildeter Migranten, die für die «Gastarbeiterliteratur» vergangener Jahrzehnte in literarischer Hinsicht ein Lächeln übrig haben. Auch Nadifa Mohamed hat, nachdem sie mit ihren Eltern nach England zog, nicht irgendwo, sondern in Oxford Geschichte und Politik studiert.
In ihrem neuen Roman DER GARTEN DER VERLORENEN SEELEN erzählt sie von drei Frauen, deren Schicksal miteinander verknüpft ist, die Feindinnen werden könnten und am Ende ein prekäres Bündnis des Überlebens schliessen. Da ist die neun Jahre alte Dequo, die aus dem Flüchtlingslager, in dem sie geboren ist, in die Stadt flieht. Kawsar, eine einsame Witwe, die um ihre Tochter trauert und an ihr Bett gefesselt ist. Und Filsan, eine junge Soldatin, die mithelfen soll, den Aufstand zu unterdrücken.
Es ist eine Geschichte aus Somalia, einem Land kurz vor dem Bürgerkrieg. Wir sehen und hören, riechen und fühlen das Land, eine fremde Welt. Und doch erinnert uns der Roman an die Geschichte anderer zerstörter Staaten, an den Libanon, Jugoslawien, Syrien. Und wie überall sind es die Netzwerke der Frauen, die ein Weiterleben ermöglichen.
DER GARTEN DER VERLORENEN SEELEN. Roman. Aus dem Englischen von Susann Urban. Beck Verlag 2014
ORCHARD OF LOST SOULS. Novel. Simon & Schuster 2013
BLACK MAMBA BOY. Novel. Harper Collins Paperbacks 2010
Terézia Mora
Terézia Mora, die ungarische Autorin und Übersetzerin von Péter Esterhazy, Lajos Parti Nagy und Istvan Örkény, ist 1971 in Sopron geboren. Seit 1990 lebt sie in Berlin. 1999 erschien ihr mehrfach ausgezeichnetes literarisches Debüt, die Erzählungen SELTSAME MATERIE.
Im Roman DAS UNGEHEUER, dem zweiten Band einer Trilogie, lotet sie die Bodenlosigkeiten heutigen Lebens aus. Ein schwarzer Strich zieht sich durch den Text. Er teilt die Geschichte von Darius Kopp und Flora. Sie waren ein Ehepaar. Er ein Jedermann, der seine Frau heillos liebte und überfordert war von ihrer Krankheit, ihren Depressionen. Flora hat Selbstmord begangen. Kopp bleibt zurück mit ihrer Asche in einer Urne und einer Datei, in der sie Tagebuch über ihre Krankheit geführt hat. Er macht sich auf den Weg durch Osteuropa von Ungarn nach Kroatien, nach Albanien und immer weiter, bis er schliesslich in Griechenland strandet, auf der Suche nach einer Heimat für die Asche und seine Verzweiflung.
DAS UNGEHEUER ist ein stilistisch virtuoser, perspektivenreicher Nekrolog und eine lebendige Road-Novel aus dem heutigen Osteuropa. Terézia Mora findet eine radikale Form, der verstorbenen Flora und ihrem Leiden, das sie Darius nicht mitteilen konnte, eine Stimme zu geben. Ihre Tagebucheinträge sind parallel zur Reiseerzählung von Darius unter dem schwarzen Strich zu lesen. Terézia Mora gelingt es, zwei Charaktere, die sich im Leben verfehlten, und zwei Textformen in Verbindung zu setzen. Sie vereint hohes literarisches Formbewusstsein mit Einfühlungskraft. Ein bewegender und zeitdiagnostischer Roman.
DAS UNGEHEUER. Roman. Luchterhand Verlag 2013
DER EINZIGE MANN AUF DEM KONTINENT. Roman. btb Verlag 2011
ALLE TAGE. Roman. btb Verlag 2006
Benjamin Moser
Benjamin Moser, 1976 in Houston, Texas, geboren, ist promovierter Historiker, Schriftsteller, Übersetzer und Journalist. Er lebt in den Niederlanden und spricht zehn Sprachen. Als er beginnt, Portugiesisch zu lernen, stösst er durch Zufall auf das Werk Clarice Lispectors (1920–1977), ist fasziniert und versteht nicht, wieso «die Stimme Brasiliens» bei uns kaum bekannt ist. Er beginnt zu recherchieren – es entsteht eine umfassende Biografie der Frau, die «aussah wie Marlene Dietrich und schrieb wie Virgina Woolf». Zusammen mit der Neuübersetzung des Frühwerks von Clarice Lispector ist diese Biografie im Schöffling Verlag jetzt auch auf Deutsch erschienen.
Felix Philipp Ingold würdigt Mosers Leistung in der NZZ: «Zwar bekennt er sich offen zu seiner an Verliebtheit grenzenden Begeisterung für ‹Klarissi›, die ihn nachhaltig fasziniere und die er, darüber hinaus, vorbehaltlos für ‹die bedeutendste jüdische Autorin nach Kafka› halte usf. Doch es gelingt Moser, diese Begeisterung zu disziplinieren und eine durchweg verlässliche Darstellung abzufassen, die manche bisher unbekannte Detailinformationen liefert und auch negative Einschätzungen von Lispectors Charakter und Leistung zur Geltung bringt.»
Am Literaturfestival Leukerbad wird Benjamin Moser zusammen mit Katharina Faber, einer Bewunderin von Clarice Lispector, «Einen Abend für Clarice» gestalten und uns die Ikone Brasiliens in Bild und Ton vorstellen.
CLARICE LISPECTOR. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Schöffling 2013
Charl-Pierre Naudé
Charl-Pierre Naudé, 1958 in Kokstad geboren, gilt als einer der interessantesten und vielversprechendsten Lyriker Südafrikas.
Naudé – wie alle seiner Generation gross geworden mit der Frage: Wer schreibt was für wen in welcher Sprache – ist in Afrikaans ebenso wie im Englischen zu Hause: ein Poet, zwei Sprachen, zwei unterschiedliche Modi der Weltwahrnehmung.
Schon Naudés Debüt enthielt die für seine Lyrik typischen Elemente: Dazu gehört der bewusste, aber auch bewusst ironisch gebrochene Rückgriff auf klassische Formen und Poetologien. Er bürstet die (oftmals verklärte) Geschichte Südafrikas gegen den Strich und hält in grellen Vignetten die sozio-politischen Herausforderungen der Post-Apartheid-Gegenwart fest, seien das AIDS, Xenophobie oder die noch immer ungleichen Besitzverhältnisse. Das erzählerische Moment aber dominiert in seiner Lyrik. Naudé lässt mit Vorliebe einander fremde Bild-Partikel kollidieren, was seinen Gedichten ein traumähnliches, surrealistisches Gepräge verleiht. Oft lesen sich diese wie ein wilder Bewusstseinsstrom, der zwar angefüllt ist mit sinnlichen Details der konkreten Welt – in dem aber «Fremdes und Vertrautes ständig aufeinander prallen und es kein Rezept gibt, wie es darauf zu reagieren gilt» (Herausgeberin Indra Wussow). Wie viele seiner Generation ist Naudé auf der Suche nach einer neuen, genuin «südafrikanischen» Perspektive, die mehr umfassen würde als die geografischen Ausläufer seiner Heimat.
In Zusammenarbeit mit dem DAAD – Deutscher Akademischer Austauschdienst.
ANKUNFT EINES WEITEREN TAGES. Zeitgenössische Lyrik aus Südafrika. Ausgewählt von Indra Wussow. Deutsch von Sylvia Geist. Verlag Das Wunderhorn 2013
AGAINST THE LIGHT. Gedichte. Protea Boekhuis 2007
Saša Stanišic
Wie lässt man ein ganzes Dorf zu Wort kommen? Wie gelingt es, eine Art kollektives Bewusstsein zu evozieren? «Ein Roman als furioser Chorgesang in Prosa», würdigt die Jury und prämiert den Roman VOR DEM FEST mit dem Leipziger Belletristik-Preis 2014. Der Deutsch-Bosnier Saša Stanišic, 1978 in Višegrad geboren, erzählt über die Nacht vor einem Fest in einem Dorf in der Uckermark.
Sein viel gelobtes Debüt WIE DER SOLDAT DAS GRAMMOFON REPARIERT thematisiert den Bürgerkrieg in Jugoslawien aus der Perspektive eines Heranwachsenden. Nun entfernt sich Stanišic´ vom autobiografischen Erzählen und rückt ein Dorf ins Zentrum. «Wenn bei uns», kommentiert der Erzähler, «irgendwo ein Fenster eingeschlagen wird und offen steht, dann haben wir mehr Angst vor dem, was entkommen sein könnte, als vor dem, der vielleicht eingestiegen ist.»
Was entkommen ist, sind die Geschichten. Nun geistern sie herum. VOR DEM FEST ist das vielstimmige Porträt eines Dorfes. Ein Zauberland voller skurriler Geschichten. Stanišic, szenenweise ein begnadeter Komiker, nimmt seine Figuren jedoch ernst und begleitet sie mit Sympathie. Der Roman setzt das Genre der Dorfgeschichte, das im 19. Jahrhundert aufblühte, auf eigensinnige Weise fort. Wo im späten 20. Jahrhundert, vor allem in der österreichischen Literatur, die Dorfschmähprosa gepflegt wurde, zeigt Saša Stanišic, wie man, ohne Idylliker zu sein, aus einem kleinen Dorf einen leuchtenden Romanschauplatz macht.
VOR DEM FEST. Roman. Luchterhand Literaturverlag 2014
WIE DER SOLDAT DAS GRAMMOFON REPARIERT. Roman. btb Verlag 2008
Jens Steiner
Jens Steiner, als Sohn eines Schweizer Vaters und einer dänischen Mutter 1975 in Zürich geboren, wuchs erst östlich, dann westlich der Albiskette auf, studierte in Zürich und Genf Germanistik, Philosophie und Vergleichende Literaturwissenschaft. Nach dem Studium war er Lehrer und Verlagslektor. Er wohnt als freier Autor in Zürich.
CARAMBOLE ist der Titel seines zweiten Romans; es ist der schweizerdeutsche Name des aus Indien stammenden Geschicklichkeitsspiels Carrom. Passend dazu der Untertitel des Romans: «Ein Roman in zwölf Runden». Schauplatz ist ein Dorf im Hochsommer. Eine Jugend ohne Computer und Handy sehnt die Ferien herbei. Jürg Altwegg in der FAZ: «Ihre Gegenwart sind Leere und Langeweile, eine Zukunft jenseits der Sommerferien zeichnet sich nicht ab. Das Dorf, in dem gerade zwei Restaurants geschlossen wurden, bleibt der Horizont. Seine technologische Entwicklung ist auf dem Stand der Fernrohre und des Fernsehens.»
CARAMBOLE ist ein Roman, der Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht, sie mitnimmt in die flirrende Gluthitze dieses Dorfsommers. Auf seiner Webseite beantwortet Jens Steiner in einem fiktiven Interview die Frage nach seinem Wunschleser: «Ich wünsche mir Leser, die einen Sinn für das Grenzen überschreitende Spiel der Literatur haben und zugleich wissen, dass Ironie und Scharaden ernster Weltbetrachtung und wahrer Anteilnahme nicht widersprechen müssen.»
CARAMBOLE. Ein Roman in zwölf Runden. Dörlemann 2013
HASENLEBEN. Roman. Dörlemann 2011
Raphael Urweider
Mit seinem vielfach ausgezeichneten Debüt LICHTER IN MENLO PARK stürmte Raphael Urweider leichtfüssig die Bühne der Poesie und durcheilte in rasantem Tempo den Weg zum «lyrischen Jungstar».
Mit Jahrgang 1974 gehört er einer Generation an, die sich nicht mehr ausschliesslich in einer einzigen Sparte der Kunst bewegt. Obschon die Lyrik nach wie vor im Zentrum seiner Arbeit steht, betätigt sich Raphael Urweider als Theaterregisseur und Übersetzer, und seit 2013 ist er Präsident des Verbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz AdS.
Wenn er unterwegs ist, dann am liebsten im Zug, neben sich Stapel von Zeitungen. Er liest alles, von der billigsten Boulevardzeitung und Prospekten bis zu anspruchsvollen Druckerzeugnissen. Es sind vor allem die Kleinigkeiten, das scheinbar Unwesentliche, die erfundenen oder übertriebenen Geschichten, die ihn fast magisch anziehen.
H.C. Artmann gehört zu seinen lyrischen Vorbildern. Mit ihm ist auch sein erster Besuch in Leukerbad eng verbunden. Vor genau 18 Jahren traf er hier erstmals mit H.C. Artmann zusammen und hat ihn dann mehrmals in Wien besucht, um seine Gedichte vorzulegen.
Neben neuen Gedichten wird Raphael Urweider zusammen mit Händl Klaus die gemeinsame Übersetzung von Robert Walsers zweisprachiger Ausgabe des kleinen Stücks DER TEICH vorstellen. Es ist das einzige Werk, das Robert Walser in Schweizer Dialekt geschrieben hat.
DER TEICH. Von Robert Walser. Übersetzt von Händl Klaus und Raphael Urweider. Hrsg. von Reto Sorg. Insel 2014
ALLE DEINE NAMEN. Gedichte von Sucht und Sehnsucht: Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit. DuMont 2008
LICHTER IN MENLO PARK. Gedichte. DuMont 2004
Ernest Wichner
Ernest Wichner, 1952 im rumänischen Zabrani geboren, lebt seit 1975 in Deutschland. Er ist Autor, Literaturkritiker, Übersetzer aus dem Rumänischen, unter anderem von Mircea Cartarescu, Norman Manea, Liliana Corobca, Nora Iuga und zuletzt dem erzählerischen Werk von M. Blecher. Von 1988 bis 2003 stellvertretender Leiter des Literaturhauses Berlin, ist er seit 2003 dessen Leiter.
Eng befreundet mit Herta Müller und dem verstorbenen Oskar Pastior, begleitete er die beiden 2004 auf einer Reise in die Ukraine an die Lagerorte, in die Pastior zwischen 1945 und 1949 als rumänisch-deutscher Zwangsarbeiter verschleppt worden war. Pastiors Erinnerungen verdichtete Herta Müller in ihrem Roman ATEMSCHAUKEL.
Wenigen ist Ernest Wichner auch als Lyriker bekannt. In seinem letzten Band ICH BIN GANZ AUFGESPERRT versammelt er Liebesgedichte, gerichtet an eine zwar nicht ferne, aber innig herbeigesehnte Frau. Die Gedichte handeln von Leidenschaft, deren Erfüllung ausserhalb des Möglichen liegt. Dieses Urthema gestaltet der Autor mit einer wunderbaren Intensität und einer genauen Kenntnis der abendländischen Tradition. Zu finden sind in dem vielseitigen Band auch historische Impressionen (DESPERATES BERLIN DER ZEIT 1920). Wichners Gedichte rufen Namen, Landschaften und Orte als poetische Zeugen auf. Diese werden zum Sprachereignis in sinnlicher Gestalt.
Ernest Wichner wird am Festival seine Lyrik vorstellen
und mit den rumänischen Autoren Liliana Corobca und Mircea Cartarescu ein Gespräch führen.
ICH BIN GANZ AUFGESPERRT. Gedichte. Wunderhorn Verlag 2010
NEUSCHNEE UND OVOMALTINE. Gedichte. hochroth Verlag 2010
RÜCKSEITEN DER GESTEN. Gedichte. Zu Klampen Verlag 2003