Autorinnen und Autoren
Am 24. Internationalen Literaturfestival
Leukerbad nehmen teil:
Mariam Al-Saedi, Vereinigte Arabische Emirate
Nora Amin, Ägypten
Aleida Assmann, Deutschland
Jan Assmann, Deutschland
María Cecilia Barbetta, Argentinien/Deutschland
Priya Basil, Grossbritannien
Petr Borkovec, Tschechien
Christos Chryssopoulos, Griechenland
Zoltán Danyi, Ungarn/Serbien
Elisa Shua Dusapin, Schweiz
Theresia Enzensberger, Deutschland
Karl-Markus Gauss, Österreich
Claire Genoux, Schweiz
Lavinia Greenlaw, Grossbritannien
Durs Grünbein, Deutschland
Rolf Hermann, Schweiz
Federico Italiano, Italien
Pedro Lenz, Schweiz
Frances Leviston, Grossbritannien
Johanna Lier, Schweiz
Tanja Maljartschuk, Ukraine/Österreich
Petros Markaris, Griechenland
Francesca Melandri, Italien
Fernanda Melchor, Mexiko
Eman Mohammed Turki, Vereinigte Arabische Emirate
Gianna Molinari, Schweiz
Terézia Mora, Deutschland
Adolf Muschg, Schweiz
Madame Nielsen, Dänemark
Alan Pauls, Argentinien
Antoinette Rychner, Schweiz
Géraldine Schwarz, Deutschland/Frankreich
Vladimir Sorokin, Russland
Ré Soupault, Deutschland
Aleš Šteger, Slowenien
Maria Stepanova, Russland
Christian Uetz, Schweiz
Aglaja Veteranyi, Schweiz
Jan Wagner, Deutschland
Nell Zink, USA
Übersetzerinnen und Übersetzer
Angelica Ammar
Marta Eich
Franco Filice
Carla Imbrogno
Andreas Jandl
Gulnoz Nabieva
Anne Posten
Shiri Shapira
Mariam Al-Saedi
Mariam Al-Saedi, geboren 1974 in Al Ain, studierte Englische Literatur und absolvierte einen Postgraduiertenstudiengang in Stadtplanung an der amerikanischen Universität von Sharjah und in Jerusalem-Studien an der Aberdeen University in Schottland. Sie lebt in Abu Dhabi und arbeitet für das Verkehrsministerium. Mariam Al-Saedis Geschichten erinnern an Peter Bichsel; sie stellt die «kleinen» Menschen in den Mittelpunkt und schildert die Suche nach persönlicher Entfaltung und individueller Freiheit. Ihre Figuren bewegen sich im Spannungsfeld einer Gesellschaft zwischen Fortschritt und Tradition. Sie selbst sagt, ihr Ziel im Schreiben sei ein tieferes Verständnis für das Konzept von «Leben».
Eine ihrer Geschichten erschien in der Anthologie In a Fertile Desert. Modern Writing from the United Arab Emirates (Arabia, 2009), ausserdem wurden sie – leider nicht in idealer Übersetzung – unter dem Titel Mariam und das Glück (Lisan, 2009) veröffentlicht.
Mariam Al-Saedi und Eman Mohammed Turki werden in Leukerbad neuübersetzte Texte lesen.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Nora Amin
Nora Amin, 1970 in Kairo geboren, ist freie Autorin, Performerin und Theatermacherin. Ihre Arbeit ist zwischen den Bereichen Literatur, Theater/Tanz und Feminismus angesiedelt. Sie ist verbunden mit einem sozialpolitischen Aktivismus, in dem die Künstlerin die Rolle eines Rebellen gegen die Traditionen von Patriarchat, Autorität, Sexismus und Rassismus einnimmt. Seit 2000 beschreitet sie konsequent neue Wege abseits des staatlichen und des kommerziellen Theaters. Sie verfasst Romane, Kurzgeschichten, Essays und Gedichte, in denen sie politisches Engagement und Suche nach neuen literarischen Ausdrucksformen verbindet und auf Provokationen nicht verzichtet. Sie war Samuel Fischer Gastprofessorin an der Freien Universität Berlin und lebt derzeit in Berlin.
Nora Amin hat stets eine eigene, weibliche Sicht: In dem Buch Weiblichkeit im Aufbruch untersucht sie, ausgehend von eigenen Erfahrungen, die Rolle des weiblichen Körpers im öffentlichen Raum am Beispiel der gewaltsamen Geschehnisse auf dem Tahrir-Platz. In dem leidenschaftlichen politischen Essay bündelt sie ihre Gedanken, indem sie über die Rolle der Frau in arabischen Gesellschaften hinaus über Privatheit, Intimität und Körperlichkeit reflektiert. Überraschende, teilweise erschreckende Erinnerungen an traumatische Ereignisse durchziehen diesen originellen und intensiven Text ebenso wie Erinnerungen an die Kindheit bis hin zu ihren Erfahrungen als Frau in westlichen Gesellschaften.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Weiblichkeit im Aufbruch. Aus dem Englischen von Max Henninger. Matthes & Seitz 2018
Aleida Assmann
Aleida Assmann ist eine deutsche Anglistin, Ägyptologin und Literatur- und Kulturwissenschaftlerin. Sie veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur englischen Literatur und zur Archäologie der literarischen Kommunikation. Seit den 1990er-Jahren ist ihr Forschungsschwerpunkt die Kulturanthropologie, insbesondere die Themen kulturelles Gedächtnis, Erinnerung und Vergessen. Zusammen mit ihrem Mann Jan Assmann wurde sie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2018 ausgezeichnet.
Mit grosser Wachheit verfolgt Aleida Assmann, wie sich Vergangenes in der Gegenwart spiegelt. Im Zentrum ihrer Arbeiten steht stets die Frage, welche Bedeutung die Erinnerung und das kulturelle Vermächtnis im kulturellen Selbstverständnis der Gegenwart haben kann und soll. In Analogie zum «amerikanischen Traum» entfaltet Aleida Assmann in ihrem Buch Der europäische Traum vier Lehren, die die Europäer aus der Geschichte gezogen haben. Sie machen das offene Projekt Europa aus. Ob es eine Zukunft hat oder nicht, hängt nicht zuletzt davon ab, ob diese Lehren weiterhin als eine gemeinsame Grundorientierung anerkannt und umgesetzt werden. «Was aber nottäte, das wäre ein dialogisches Erinnern», sagt Aleida Assmann, «denn was geschieht, wenn sich mit einem stärkeren Zuzug von Migranten Bevölkerungen neu mischen, wenn zu den am Ort verwurzelten neue Erinnerungen hinzukommen?»
In ihrem Buch Menschenrechte und Menschenpflichten plädiert Aleida Assmann deshalb für einen neuen Gesellschaftsvertrag, in dem Menschenrechte und Werte wie Empathie und Solidarität massgeblich sind.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Der europäische Traum. Vier Lehren aus der Geschichte. C.H. Beck 2018
Menschenrechte und Menschenpflichten. Schlüsselbegriffe für eine humane Gesellschaft. Picus Verlag 2018
Formen des Vergessens (Reihe Historische Geisteswissenschaften. Frankfurter Vorträge. Band 9. hg. von Bernhard Jussen und Susanne Scholz). Wallstein 2016
Jan Assmann
Der habilitierte Ägyptologe Jan Assmann lehrte lange Jahre in Heidelberg. Er hat mit seinem umfangreichen Werk immer wieder Debatten zu kulturellen und religiösen Gegenwartsfragen angestossen. Assmann hat zusammen mit seiner Frau Aleida Assmann die Theorie des kulturellen Gedächtnisses, das auf dem vom französischen Soziologen und Psychologen Maurice Halbwachs entwickelten Konzept des kollektiven Gedächtnisses aufbaute, entwickelt, und sie wurden gemeinsam mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2018 ausgezeichnet.
Assmanns neueste Studie Achsenzeit gilt der von Karl Jaspers formulierten These von einer Periode der Menschheitsgeschichte, in der es gleichzeitig in mehreren Kulturen zur Entstehung von religiösen und philosophischen Vorstellungen von «Menschheit» und «Transzendenz » gekommen ist, die uns heute noch prägen; ein Geschichtsbild, das den Eurozentrismus hinter sich lässt, ohne die «europäischen Werte» aufzugeben. Jan Assmann zeichnet kongenial das wissenschaftshistorische Panorama des Achsenzeittheorems und zeigt, wie sehr es nottut, aus dem Rücklauf in die Geschichte die Gegenwart zu begreifen. Gegenwart braucht Erinnerung.
Zukunft braucht Herkunft, wie der Philosoph Odo Marquard wusste. Dass diese Erinnerung nicht einfach von selbst geschieht, sondern immer aufs Neue gemacht werden muss, ist eine der vielfältigen Erkenntnisse, die sich aus diesem im wahrsten Sinne des Wortes epochalen Buch ergeben.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Achsenzeit. Eine Theorie der Moderne. C.H. Beck 2018
Totale Religion. Ursprünge und Formen puritanischer Verschärfung. Picus 2016
Exodus. Die Revolution der Alten Welt. C.H. Beck 2015
Religion und kulturelles Gedächtnis. C.H. Beck 2000
Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. C.H. Beck 1992
María Cecilia Barbetta
María Cecilia Barbetta wurde 1972 in Buenos Aires, Argentinien, geboren. Sie besuchte die deutsche Schule in Buenos Aires und entschied sich danach für ein Deutsch als Fremdsprache Studium. 1996 kam sie mit einem DAAD-Stipendium nach Berlin und blieb. Seit 2005 ist sie freie Autorin. Ihre Romane sind in deutscher Sprache verfasst. An ihrem neuen Roman Nachtleuchten, ihrem zweiten nach der viel gelobten Änderungsschneiderei Los Milagros, die 2008 erschienen ist, muss María Cecilia Barbetta viele Jahre gearbeitet haben. Noch einmal hat sich Barbetta thematisch in ihre Geburtsstadt vertieft, genauer in den nördlichen Vorort Ballester, in dem sie selbst aufgewachsen ist. Die Schauplätze sind eine katholische Klosterschule, eine Autowerkstatt, eine Bäckerei, eine Wäscherei und ein Friseurladen.
Es herrscht die gespenstische Atmosphäre am Vorabend eines politischen Umsturzes. Barbetta greift hier zurück auf ihre Erlebnisse als Kind, als in ihrer Heimat eine Militärdiktatur herrschte und die Angst der Erwachsenen allgegenwärtig war, sich in die emotionalen Grundmuster ihrer Generation einschrieb.
Barbettas Roman besticht durch Sichtbarmachung der umgehenden Ängste genauso wie durch seinen Humor und seinen farbenprächtigen Sprachwitz, dem die Autorin auch durch typografische Spässe Ausdruck verleiht. Es ist ein unwiderstehlicher Mix aus Esprit, Witz, Tempo und Originalität, ein Werk, das spielerisch und leicht daherkommt und es doch in sich hat.
Nachtleuchten. Roman. S. Fischer Verlag 2018
Änderungsschneiderei Los Milagros. Roman. S. Fischer Verlag 2008
Priya Basil
Priya Basil, 1977 in London geboren, ist eine indisch-stämmige britische Schriftstellerin. Sie wuchs in Kenia auf, studierte in Grossbritannien und lebt heute in Berlin. Sie veröffentlichte Romane und eine Novelle sowie zahlreiche Essays für verschiedene Zeitschriften. Sie engagiert sich aktiv für Friedensförderung und weltweite Waffenkontrolle. Wiederkehrende Themen in ihren Sachtexten sind Identität, Kunst, Massenüberwachung, Demokratie, (Neo-)Kolonialismus und die Europäische Union. Ihr neuestes Buch Gastfreundschaft ist ein hybrider Text aus Essay und Memoiren. Priya Basil lädt ihre Leserinnen und Leser ein: Ein Wort, das Vorfreude weckt auf einen Abend bei gutem Essen und anregenden Gesprächen. Doch die berühmte Gastfreundschaft ist noch viel mehr als das – sie ist ein vielseitiges Geben und Nehmen, das Familie, Freunde und Fremde einschliesst, und in jeder Kultur etwas anders ist. Priya Basil erzählt von den indisch-kenianischen Traditionen ihrer Familie, von einer unerwarteten Einladung zum Spargelessen und einer Massenspeisung in einem Sikh-Tempel mitten in Berlin. Sie hält ein leidenschaftliches Plädoyer für ein gastfreundliches Europa und lädt dabei immer wieder in ihre eigene Küche ein. Denn die besten Gespräche führt man bekanntlich an einem reich gedeckten Tisch: über Gott und die Welt, Politik und Kultur und über die Frage, ob es eigentlich bedingungslose Gastfreundschaft gibt.
Gastfreundschaft. Aus dem Englischen von Beatrice Fassbender. Insel Verlag 2019
Priya Basil und Chika Unigwe: Erzählte Wirklichkeiten: Tübinger Poetikdozentur 2014. Swiridoff 2015
Die Logik des Herzens. Aus dem Englischen von Barbara Christ. Schöffling 2012
Veröffentlichung auf Englisch: Strangers on the 16:02. Black Swan Books 2011
Petr Borkovec
Petr Borkovec, geboren 1970, ist Dichter, Prosaautor und Übersetzer sowie Dramaturg des literarischen Cafés Fra in Prag. Wie keinem anderen Autor seiner Generation wird ihm von der Kritik die souveräne Handhabung tradierter dichterischer Mittel und die frühzeitige Entwicklung einer markanten Stimme bescheinigt, die auf eigenständige Weise in der Nachfolge der bedeutendsten Lyrik des 20. Jahrhunderts steht – so urteilte schon 2002 Die Zeit, er sei «ein junger Prager Dichter von stiller Perfektion». Leise und lakonisch dokumentiert Borkovec in seinen Gedichten die Zeit des Umbruchs in den Prager Vorstädten. Er macht prekäre Momentaufnahmen des Alltäglichen, so Ilma Rakusa, und über die Dingwelt legt sich dabei ein morbider Zauber. Während Borkovec von alltäglichen Gegenständen und privaten Räumen erzählt, wirft er zugleich einen sezierenden Blick in das modernde Interieur Europas: Die Welt erscheint als Zwischenreich im Zustand des Verfalls, überzogen vom Firnis einer eigenwilligen dichterischen Sprache.
Petr Borkovec hatte die 5. Dresdner Poetikdozentur zur Literatur Mitteleuropas inne und war 2004/2005 Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Er übersetzte neben anderen die Gedichte von Vladimir Nabokov, Joseph Brodsky und Jewgenij Rejn sowie Dramen von Sophokles und Aischylos.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Rahmen des Projekts Europa im Gedicht – Grand Tour.
Liebesgedichte. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmaier. Edition Korrespondenzen 2014
Amselfassade. Prosa und Gedichte. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmaier. Friedenauer Presse 2006
Nadelbuch. Gedichte Tschechisch–Deutsch. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmaier. Edition Korrespondenzen 2004
Christos Chryssopoulos
Der 1968 in Athen geborene Schriftsteller, Übersetzer und Fotograf studierte Wirtschaftswissenschaften und Psychologie. Er ist Mitglied des Europäischen Kulturparlaments und schreibt regelmässig für die nationale und internationale Presse. Seine Bücher werden weltweit übersetzt. Mit Parthenon erschien erstmals eines seiner Werke in deutscher Sprache. In Parthenon beschäftigt Christos Chryssopoulos sich mit kollektiven Vorstellungen und Politik, indem er einen terroristischen Akt in den Mittelpunkt der Handlung stellt: Ein junger Mann sprengt das Parthenon, weil er sich und die Griechen von der hemmenden Bürde ihres übermächtigen antiken Erbes befreien will. Chryssopoulos reflektiert in seinem Roman über Geschichte, Kunst und das Spannungsfeld zwischen der griechischen nationalen Identität und der Idee von Europa als selbständiger Einheit.
In seinem scharfsinnigen Roman macht er die grosse Ambivalenz nicht nur der Griechen, sondern jeder nationalen Identität zum Thema. Ein mutiger Roman über die Konstruktion einer Nation und die Poesie der Zerstörung. So kraftvoll klingt die zeitgenössische griechische Literatur.
Robert Menasse sagt über ihn: «Eine wichtige Stimme aus Griechenland, ein grosser Erzähler. Wer Europa verstehen und als seine Heimat begreifen will, muss europäische Literatur lesen, und Christos Chryssopoulos ist ein Erzähler von europäischem Format. Das kann Literatur: von Menschen erzählen, so, dass wir begreifen: So sind wir! Nicht wir Griechen, sondern wir Menschen.»
Parthenon. Roman. Aus dem Griechischen von Theo Votsos. Haymon Verlag 2018
Zoltán Danyi
Zoltán Danyi wurde 1972 als Angehöriger der ungarischen Minderheit in Senta/Jugoslawien geboren, wo er auch heute lebt. Der Zerfall Jugoslawiens ist ein Trauma, das ihn und seine Generation schon deshalb besonders betrifft, weil er als damals Zwanzigjähriger im wehrdiensttauglichen Alter gewesen ist. Dem Eingezogen-werden konnte er sich zwar entziehen, indem er zum Studium der Philosophie und Literatur ins ungarische Szeged ging, doch was in seiner Heimat geschah, hat ihn tief verstört. Als ungarischer Serbe war Zoltán Danyi stets mit der Frage konfrontiert, für wen oder was er eigentlich stünde. Seine Position aber hat ihn vor nationalistischem Wahn geschützt und aus der Distanz heraus zu einem genauen Beobachter gemacht.
Sein erster Roman Der Kadaverräumer handelt davon, welche Folgen die Gewalterfahrung hat und wie sie einen Menschen zerstört. Danyi zeigt, dass die nationalistische Aggression, die Waffengewalt und der ganze Wahnsinn des Mordens als eine fehlgeleitete sexuelle Aggression zu verstehen ist. Deshalb geht es in diesem Roman nicht um Ideologien, sondern um Körperlichkeit.
«Trauma, das ist die Unmöglichkeit der Narration», heisst es in Aleida Assmanns Habilitationsschrift Erinnerungsräume. Die traumatische Erfahrung, schreibt Assmann, durchbreche chronologische Ordnungen, entziehe sich der deutenden Verarbeitung und damit auch der Versprachlichung. Wie erzählt man von einem Kriegstrauma? In seinem poetischen, fordernden Romandebüt schickt Zoltán Danyi einen namenlosen Mann auf eine Irrfahrt durch den eigenen Kopf.
Zoltán Danyi und Terézia Mora sind mit Der Kadaverräumer für den Internationalen Literaturpreis des HKW nominiert.
Der Kadaverräumer. Roman. Aus dem Ungarischen von Terézia Mora. Suhrkamp Verlag 2019
Elisa Shua Dusapin
Elisa Shua Dusapin, geboren 1992 als Kind einer koreanischen Mutter und eines französischen Vaters im Südwesten Frankreichs, ist mit fünf Jahren in die Schweiz gekommen und mit 13 Jahren Schweizerin geworden. Sie arbeitete als Theaterassistentin und Schauspielerin und studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Zwischen ihren Reisen in Ostasien lebt sie im Jura. Der Roman Ein Winter in Sokcho spielt in einem ausserhalb der Saison ziemlich tristen Hafen und Badeort an der südkoreanischen Ostküste an der Grenze zu Nordkorea. Eine koreanische Studentin arbeitet als Mädchen für alles zum Geldverdienen in einem etwas heruntergekommenen Gastbetrieb und lernt dabei einen Franzosen kennen, einen Zeichner, der hier die Inspiration für einen neuen Comic sucht. Während er Stille und Lokalkolorit sucht, möchte sie dem Ort entfliehen. Leise, zärtlich und reduziert auf das Wesentliche beschreibt Elisa Shua Dusapin das Zusammentreffen zweier sehr unterschiedlicher Figuren: Mit jedem Gespräch, jedem Spaziergang durch das winterliche Nirgendwo kommen die beiden einander näher. Zwei Gestrandete, die sich nach einem Neuanfang sehnen und ihn jeder auf seine Weise wagen.
Elisa Shua Dusapin hat einen berückenden Roman voller Spiegelungen geschrieben, über ein widerständiges Aussen und ein schwer erreichbares Innen. All dies in einer winterlich kargen Sprache, die kaum psychologisiert und viel Freiraum lässt zwischen den Worten.
Elisa Shua Dusapin wird in Leukerbad Ein Winter in Sokcho zusammen mit ihrem Übersetzer Andreas Jandl vorstellen.
In Zusammenarbeit mit dem CTL.
Ein Winter in Sokcho. (Orig.: Hiver à Sokcho. Editions Zoé 2016) Aus dem Französischen von Andreas Jandl. Blumenbar 2018
Les Billes du Pachinko. Roman. Editions Zoé 2018
Theresia Enzensberger
Theresia Enzensberger, geboren 1986, wuchs in München auf, studierte Film und Filmwissenschaft in New York und schreibt heute als freie Journalistin, Publizistin und Kolumnistin für wichtige deutsche Zeitungen. Sie lebt in Berlin.
In ihrem Romanerstling Blaupause befasst sie sich mit dem Schicksal einer Bauhaus-Studentin Anfang der brodelnden zwanziger Jahre. Luise Schilling ist jung, wissbegierig und voller Zukunft. Sie studiert bei Professoren wie Gropius und Kandinsky und wirft sich hinein in die Träume und Ideen ihrer Epoche. Zwischen Technik und Kunst, Kommunismus und Avantgarde, Populismus und Jugendbewegung lernt Luise gesellschaftliche Utopien kennen, die uns bis heute prägen. Rasant und äusserst gegenwärtig erzählt Theresia Enzensberger von einer jungen Frau in den Wirren ihres Lebens, von den Konflikten und vom meist vergeblichen Kampf gegen patriarchale Strukturen.
Im Kern ist der Roman ein Appell an die Gegenwart. Er fordert den Leser heraus, die Gefahren für eine gleichberechtigte, demokratische Gesellschaft nicht nur an deren Rändern zu identifizieren, sondern in den Widersprüchen ihrer Mitte. Diese Erkenntnis mag offensichtlich sein. Und doch ist sie aktueller denn je.
Für den Rezensenten Richard Kämmerlings ist Theresia Enzensbergers Blaupause eine gelungene Mischung aus «historischer Campus Novel» und «weiblichem Künstlerroman».
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Blaupause. Roman. Hanser 2017
Karl-Markus Gauss
Karl-Markus Gauss, geboren 1954 in Salzburg, wo er heute als Autor und Herausgeber der Zeitschrift Literatur und Kritik arbeitet und lebt.
Abenteuer suchen viele in der Ferne. Karl-Markus Gauss, Kartograph der europäischen Ränder, findet sie in seinem jüngsten Werk Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer in nächster Nähe. Er begibt sich auf eine Reise, für die er sein Zimmer nicht zu verlassen braucht, mit der er uns aber durch verschiedene Zeiten und Länder führt. Ob er über sein Bett, das handgeschriebene Kochbuch der Grossmutter, den alten Überseekoffer oder einen Brieföffner des mährischen Industriellen Hans Hatschek schreibt, stets sind es die Dinge des Alltags, die er preist und in denen er die Vielfalt und den Reichtum der Welt entdeckt. Dadurch erfahren wir von tapferen und merkwürdigen Menschen, von entlegenen Regionen, unbekannten Nationalitäten und nicht zuletzt von den Vorlieben des Verfassers selbst. Karl-Markus Gauss führt uns auf eine charmante, unterhaltsam lehrreiche Expedition in das unbekannte Gelände des Privaten.
So wird uns das Land, das hier bereist wird, auf der ersten Seite schon einmal vorgestellt. Der Raum ist also abgesteckt, aber Grenzen sind damit auf keinen Fall gezogen. Was Karl-Markus Gauss in seinem faszinierenden neuen Buch nämlich unternimmt, ist das, was der Kulturwissenschaftler Bernd Stiegler als «reisenden Stillstand» bezeichnete: An Ort und Stelle verharrend, erforscht er eine ganze Welt.
Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer. Paul Zsolnay Verlag 2019
Zwanzig Lewa oder tot. Vier Reisen. Paul Zsolnay Verlag 2017
Der Alltag der Welt. Zwei Jahre, und viele mehr. Paul Zsolnay Verlag 2015
Lob der Sprache, Glück des Schreibens, Otto Müller Verlag 2014
Claire Genoux
Claire Genoux, geboren 1971, hat mehrere Romane und Gedichtbände veröffentlicht, darunter Saisons du corps (1999), für den sie den Prix de poésie C.-F. Ramuz erhielt. Nach einem Kunststudium lehrte sie Französisch für Erwachsene und arbeitete für verschiedene Publikationen im In- und Ausland. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Lausanne und unterrichtet am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Mit ihrem Prosawerk, das existenzielle Fragen aufwirft, stellt sich Claire Genoux in eine Reihe mit den Walliser Schriftstellerinnen S. Corinna Bille und Catherine Colomb. In ihrem zuletzt erschienenen Gedichtband Orpheline verarbeitet sie den Tod ihrer Mutter. Denis Maillefer schreibt darüber für Le Matin Dimanche: «Claire Genoux sucht das Salz aus den Tränen, und ordnet dann geduldig die Körner auf dem Papier. Am Ende bildet es eine Spur, es ist das Gedicht [...].»
In ihrem jüngsten Werk, dem Roman Lynx, gelingt Claire Genoux «eine grossartige Geschichte über die Brüche der Kindheit und die Kraft der Worte.» (Anne Pitteloud für Le Courrier de Genève).
Es liegt noch keine vollständige deutsche Übersetzung eines Werkes von Claire Genoux vor. Verschiedene ihrer Gedichte sind jedoch in Anthologien und Zeitschriften erschienen, darunter die Übersetzung von fünf ihrer Gedichte in der Anthologie Grand Tour – Eine Reise durch die junge Lyrik Europas.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Rahmen des Projekts Europa im Gedicht – Grand Tour.
Lynx. Roman. Éditions Corti 2018
Orpheline. Poèmes. Bernard Campiche Éditeur 2016
La Barrière des peaux. Roman. Bernard Campiche Éditeur 2014
Lavinia Greenlaw
Die vielseitige Künstlerin Lavinia Greenlaw wurde 1962 in London geboren. Sie unterrichtet Creative Writing an Universitäten in England, Deutschland und in den USA. Sie arbeitet ebenfalls für Fernsehen und Rundfunk. Lavinia Greenlaw, Spycher Preisträgerin 2002, verfasst Gedichte, Romane, Libretti, Hörspiele, Sachbücher, Kurzgeschichten, Klangarbeiten und sogar Filme. Greenlaws schmale Gedichtbücher erschienen jeweils im Abstand etlicher Jahre, als benötigten ihre Wortkonzentrate einen langen Reifeprozess. In ihren Gedichten gelingt es ihr mühelos, einige Elemente zu verbinden, die sich in der heutigen Lyrik bisweilen auszuschliessen scheinen: existenzielle Dringlichkeit und literarische Anmut, Sprachspiel und inhaltliche Tiefe; sie beweisen eine Modernität, die zugleich ein Entgegenkommen an die Lesbarkeit ist.
In Eine Theorie unendlicher Nähe führt die Künstlerin nach jahrelanger literarischer Hochproduktion bewusst die Stränge zusammen und stellt aus, was ihr Arbeiten bislang ausgezeichnet hat. Es sind Gedichte, die an die meditative Ruhe der Verse Robert Creeleys erinnern, oder an die Musik von John Cage. Beim Lesen mag es einem wie der Sprecherin beim Durchwandern von Bildern ergehen. Man blickt mit ihr durch ein Teleskop über dunkle Felder, taucht ein in die Gemälde und erfährt für Momente reine Präsenz: «als wäre der Körper, nun rahmenlos, Raum, / der sich in Raum entfaltet, Feld an Feld.»
Eine Theorie unendlicher Nähe. Gedichte. Aus dem Englischen von Wiebke Meier. Zweisprachige Ausgabe. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser 2018.
Minsk. Aus dem Englischen von Raphael Urweider. DuMont 2006.
Durs Grünbein
Durs Grünbein wurde 1962 in Dresden geboren. 1985 zog er nach Ostberlin, wo er ein Studium der Theaterwissenschaft begann. Schon bald entschied er sich für das Schreiben. Er beschäftigte sich autodidaktisch mit Quantenphysik und Neurologie, mit Philosophie, der Frankfurter Schule und den französischen Strukturalisten. Heute lebt und arbeitet er als Dichter, Übersetzer und Essayist in Berlin und Rom.
Als welthistorisches Ereignis zeigt sich der Widerspruch zwischen Realität und Traum im Untergang eines Staates, der DDR, und den Metamorphosen seiner Gesellschaft bis heute. An den Gegensätzen von Freiheit und Solidarität auf der einen Seite, Hass und Spaltung auf der anderen, an Deutschland und Europa entwickelt der Autor im zweiten Teil seines neuen Buches Aus der Traum (Kartei) die Idee eines phantasiegeleiteten Widerstands gegen den Fetisch kruder Realität.
Provokativer kann ein poetischer Buchtitel kaum sein, und doch lässt der Dichter an einem nicht zweifeln: «Ganz insgesamt wird das, was man die Realität nennt, überschätzt.» Und so steuert er im ersten Teil seines Buches mit aller Kraft der Imagination konsequent hinein in die Sturmzone jener Realität, die den meisten als das Mass aller Dinge erscheint. Aus der sammelnden und ordnenden Kartei seiner Stichworte ist ein Fundbuch hervorgegangen, das sich auf jeder Seite gewinnbringend aufschlagen lässt.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Aus der Traum (Kartei). Aufsätze und Notate. Suhrkamp Verlag 2019
Zündkerzen. Gedichte. Suhrkamp Verlag 2017
Die Jahre im Zoo. Ein Kaleidoskop. Suhrkamp Verlag 2015
Rolf Hermann
Rolf Hermann, geboren 1973 in Leuk, studierte Anglistik und Germanistik. Sein Studium verdiente er sich als Schafhirt im Simplongebiet. Rolf Hermann ist Mitglied der Mundart-Combo Die Gebirgspoeten. Seine Texte wurden auszugsweise ins Arabische, Englische, Französische, Litauische, Polnische und Spanische übersetzt. Heute lebt Rolf Hermann mit seiner Familie in Biel. Er schreibt vor allem Lyrik, Prosa, Hörspiele, Spoken-Word und Theatertexte, oft auch in Mundart.
Mit dem Erzählband Flüchtiges Zuhause blickt Rolf Hermann auf seine Kindheits- und Jugendjahre im Wallis zurück. Die sieben Erzählungen sind kleine literarische Perlen, verfasst mit grosser sprachlicher Raffinesse. Mit Wärme und Feingespür, in einer bildstarken, präzisen Sprache entfaltet er die Lebenswelt dreier Generationen im Wandel der Zeit. Er erzählt von stillen Sehnsüchten, unerfüllten Träumen, veränderten Lebenswelten und leisen Abschieden. Und von der Tätigkeit, die den Dingen und Menschen, die man liebt, Dauer verleiht: dem Schreiben. Manfred Papst sagte anlässlich einer Laudatio dazu: «In seinem Schreiben geht Rolf Hermann aufs Ganze. Er pflegt, durchaus in der Tradition Robert Walsers, den Gestus des Verschwindens. Und er weiss, dass alles Schreiben aus der Einsamkeit kommt.»
Flüchtiges Zuhause. Erzählungen. Edition Blau. Rotpunktverlag 2018
Das Leben ist ein Steilhang. edition spoken script 22. Der gesunde Menschenversand 2017
Kartographie des Schnees. Gedichte. Der gesunde Menschenversand 2014
Federico Italiano
Federico Italiano, 1976 geboren, lebt als Autor, Übersetzer und Herausgeber in Wien, wo er an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht. An der LMU München ist er Dozent für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Als Übersetzer hat er insbesondere moderne und zeitgenössische Dichter (César Vallejo, Philippe Soupault, Vicente Aleixandre, Elizabeth Bishop, Michael Krüger, Durs Grünbein, Lutz Seiler, Jan Wagner und andere) ins Italienische übertragen. 2003 erschien sein erster Gedichtband Nella costanza, bald gefolgt von weiteren, allesamt hochgelobt und in Italien vielbeachtet.
Federico Italiano stammt aus Novara, «nato e cresciuto tra le risaie piemontesi / dove onde minuscole screziano / la perfezione dei rettangoli e dei trapezi» und lebt seit Jahren im deutschsprachigen Raum. Er schreibt seine Gedichte im sprachlichen Exil – der Titel seines 2015 erschienen Gedichtbandes lautet auch Un esilio perfetto –, im deutschsprachigen Raum auf Italienisch. Dazu dass der Resonanzraum seiner Gedichte Italien ist, sagt er: «Ich fühle mich wie eine Art Vorposten. Jedes Mal, wenn ich schreibe, ist das wie werfen. Ich muss meine Wörter erst über die Alpen werfen.»
Gemeinsam mit seinem deutschen Kollegen Jan Wagner ist er Herausgeber der Anthologie Grand Tour. Reisen durch die junge Lyrik Europas.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Rahmen des Projekts Europa im Gedicht – Grand Tour.
Gedichtbände auf Italienisch:
Un esilio perfetto. Poesie scelte 2000–2015. Feltrinelli Editore 2015
L’impronta. Aragno 2014
L’invasione dei granchi giganti. Marietti 2010
Die Erschliessung des Lichts. Italienische Dichtung der Gegenwart. Anthologie. Hg. Federico Italiano und Michael Krüger. Hanser 2013
Andreas Jandl
Andreas Jandl, geboren 1975, studierte Theaterwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Berlin, London und Montréal. Seit 2000 arbeitet er freiberuflich als Übersetzer aus dem Französischen und Englischen. Er lebt in Berlin. Neben Theaterstücken und Jugendliteratur übersetzt er vorwiegend literarische Essays und Romane, unter anderem von J.A. Baker, Nicolas Dickner, David Diop, Mike Kenney, Marie-Renée Lavoie, Robert Macfarlane und Gaétan Soucy. 2017 wurde er zusammen mit Frank Sievers für die Übersetzung von Der Wanderfalke (Matthes & Seitz) von John Alec Baker mit dem Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis ausgezeichnet. In der Laudatio heisst es: «Kein Wort ist zuviel, keins am falschen Platz. Dichter, poetischer, genauer kann man nicht übersetzen.»
Andreas Jandl wird in Leukerbad zusammen mit Elisa Shua Dusapin ihren Roman Ein Winter in Sokcho vorstellen, den er ins Deutsche übersetzt hat.
In Zusammenarbeit mit dem CTL.
Elisa Shua Dusapin: Ein Winter in Sokcho. (Orig.: Hiver à Sokcho. Editions Zoé 2016) Aus dem Französischen von Andreas Jandl. Blumenbar 2018
John Alec Baker: Der Wanderfalke. Aus dem Englischen von Andreas Jandl und Frank Sievers. Matthes und Seitz 2014
Pedro Lenz
Pedro Lenz gehört zu den wichtigsten Stimmen der Schweizer Mundartliteratur. Die preisgekrönten Texte des 1965 geborenen Schriftstellers gründen auf Pedro Lenz’ Beobachtungsgabe und seiner eigenen Biografie: Bevor er auf dem zweiten Bildungsweg die Matura absolvierte und einige Semester spanische Literatur studierte, hatte er als gelernter Maurer sieben Jahre lang auf dem Bau gearbeitet. Seit 2001 schreibt er Vollzeit als Autor, verfasst Kolumnen für diverse Zeitungen und Magazine und Texte für unterschiedliche Theatergruppen sowie für das Schweizer Radio SRF.
Das Material seiner Texte ist nicht die «literarische Hochkultur» der Kritiker, sondern der Alltag, die Arbeitswelt der Menschen mit ihren Freizeitträumen und Sehnsüchten. Die Texte von Lenz lassen häufig Personen sprechen, die sich in ihrem Leben nicht ganz zurechtfinden. So entstehen tragische, bedrückende, aber auch beglückende Alltagsgeschichten.
Mit seinem Spoken-Word-Roman Der Goalie bin ig wurde er zu einem der erfolgreichsten Autoren der Schweiz. Der Bestseller-Roman wurde nicht nur mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und als Theaterstück aufgeführt, sondern diente auch als Vorlage zum gleichnamigen erfolgreichen Spielfilm und erschien bisher – obwohl es ein Dialektroman ist – in sechs Übersetzungen.
Mit Der Liebgott isch ke Gränzwächter stellt uns Lenz einen Sammelband mit vierundvierzig Kolumnen vor – klug, weltoffen und humorvoll.
Der Liebgott isch ke Gränzwächter. 44 Mundartkolumnen. Cosmos Verlag 2018
Die schöne Fanny. Roman. Kein & Aber 2017
Di schöni Fanny. Roman. Cosmos Verlag 2016
Der Gondoliere der Berge. Cosmos Verlag 2015
Radio. Morgengeschichten. Der gesunde Menschenversand 2014
Frances Leviston
Frances Leviston, geboren 1982 in Edinburgh, studierte Creative Writing. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin in Durham und unterrichtet im Creative Writing-Programm der Universität Manchester. Frances Leviston hat bisher zwei Gedichtbände veröffentlicht: Public Dream (2007), der für den T. S. Eliot-Preis nominiert wurde, und Disinformation (2015), der auf die Shortlist des International Dylan Thomas Awards kam. Ihrer Lyrik werden eine seltene Ernsthaftigkeit und ein herausragendes Können bescheinigt. Sie beherrscht lyrische Formen exzellent und setzt handwerkliches Können brillant ein. Was tatsächlich komplex und dicht ist, wirkt bei Frances Leviston mühelos, ihre Sprache ist lebhaft und lebendig. Für sie ist Dichtung mehr eine Art des Wissens als eine sprichwörtliche Antwort für einen längst geschlossenen Fall.
Beeinflusst wurde Frances Leviston, die eine ungewöhnlich eigenständige Stimme ist, von Elizabeth Bishop, wie in ihrem Gedicht «Bishop in Louisiana» deutlich wird.
Von der Financial Times gefragt, was es für sie bedeute, Dichterin zu sein, antwortete sie: «Dichterin zu sein bedeutet mit jedem Gedicht etwas anderes; doch grundsätzlich heisst es, Sprache als etwas mit einem Eigenleben zu behandeln – nicht als Werkzeug, das man benutzt, sondern als eine Form der Intelligenz, mit der es zu kollaborieren gilt.»
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Rahmen des Projekts Europa im Gedicht – Grand Tour.
Gedichtbände auf Englisch:
Disinformation. Picador 2015
Public Dream. Picador 2007
Johanna Lier
Johanna Lier, geboren 1962, begann ihre künstlerische Tätigkeit als Schauspielerin. Bekannt wurde sie in der Rolle der Tochter Belli in Fredi Murers Höhenfeuer. Später wechselte sie zur Literatur, schrieb einige Gedichtbände und Theaterstücke. Sie lebt heute als Dichterin, Hochschuldozentin und Journalistin in Zürich. Längere Aufenthalte und Recherchen führten sie in den Iran, nach Nigeria, Chile, in die Ukraine, nach Israel und Argentinien.
In ihrem neuesten Roman Wie die Milch aus dem Schaf kommt macht sich die Protagonistin Selma Einzig nach einem unerwarteten Fund in der Hinterlassenschaft ihrer Grossmutter Pauline auf eine Reise ins Thurgau, in die Ukraine und nach Israel. Die Reise führt aber eigentlich zu Orten der Selbstentdeckung. Das Erfinden von Erinnerungen, das Fabulieren, das Erforschen von Gegenwart und Zufallsbekanntschaften – ein interessantes Mittel um Lücken aus der Vergangenheit zu füllen. Die autobiographisch inspirierte Familiengeschichte berichtet von papier- und mittellosen Vagabunden, die als Flüchtlinge in der Ostschweiz eine Nudelfabrik gründeten. Der Bericht einer Reise in den Süden und den Osten und in die Abgründe der Vergangenheit einer Familie verwebt sich mit einem Stück Industrie- und Migrationsgeschichte aus der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Eine Suche nach der eigenen Herkunft, die höchst ambivalent bleibt und mitunter auch von einem verstörenden Unbehagen begleitet ist.
Wie die Milch aus dem Schaf kommt. Roman. Verlag Die Brotsuppe 2019
Bring mir Jagdfang. Roman. Offizin Verlag 2016
Tanja Maljartschuk
Tanja Maljartschuk, geboren 1983, ist in der Ukraine aufgewachsen, wo sie einige Jahre als Journalistin gearbeitet und schon mehrere Bücher publiziert hat. Sie schreibt regelmässig Kolumnen für die Deutsche Welle (Ukraine) und für Zeit Online. Seit einigen Jahren lebt und arbeitet sie in Wien. 2018 hat sie mit ihrem ersten auf Deutsch geschriebenen Text den Bachmann-Preis gewonnen. In ihrem neusten Roman Blauwal der Erinnerung schreibt sie über den vergessenen ukrainischen Volkshelden Wjatscheslaw Lypynskyj, dessen Leben auf kunstvolle Weise mit dem der Ich-Erzählerin verknüpft wird: Sie sucht in dessen Vergangenheit nach Spuren, um besser mit ihrer eigenen Gegenwart zurechtzukommen. Lypynskyj befasste sich politisch und historisch mit der zwischen Polen und Russland zerrissenen Ukraine und forderte wie besessen ihre staatliche Unabhängigkeit. Ähnlich kränklich wie diese historische Figur und – wie er – auf der Suche nach Zugehörigkeit, folgt die Erzählerin diesem stolzen, kompromisslosen, hypochondrischen Mann, um durch die Erinnerung der sowjetischen Entwurzelung zu trotzen. Ein literarisch beeindruckender Roman, der zeigt, was es heisst, wenn die eigene Identität aus Angst, Gehorsamkeit und Vergessen besteht.
Die Frankfurter Rundschau über den Roman: «Das Tröstliche an diesem Buch ist seine Untröstlichkeit. Der Blauwal schliesst sein Maul und schwimmt weiter.»
Blauwal der Erinnerung. Roman. Aus dem Ukrainischen von Maria Weissenböck. Kiepenheuer & Witsch 2019
Von Hasen und anderen Europäern: Geschichten aus Kiew. Erzählungen. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Edition.fotoTAPETA Berlin 2014
Biografie eines zufälligen Wunders. Roman. Aus dem Ukrainischen von Anna Kauk. Residenz Verlag 2013
Petros Markaris
Petros Markaris, Sohn eines armenischen Kaufmannes und einer griechischen Mutter, ist 1937 in Istanbul geboren, dort aufgewachsen und hat eine deutsche Schule besucht. Darum spricht und schreibt Markaris in griechischer, türkischer und deutscher Sprache. Seit langem lebt er in Athen. Er verfasste mehrere Theaterstücke, rief eine beliebte griechische Fernsehkrimi-Serie ins Leben und war Co-Autor des Filmemachers Theo Angelopoulos. Ausserdem übersetzte er deutsche Dramen ins Griechische. Mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann er erst Mitte der neunziger Jahre; damit wurde er international sehr erfolgreich.
Über zwanzig Jahre lang arbeiteten der Schriftsteller und der für seine epischen Autorenfilme bekannte Regisseur Theo Angelopoulos zusammen. In seinem Tagebuch mit dem Titel Tagebuch einer Ewigkeit gewährt Markaris Einblick in die Entstehung des Films Die Ewigkeit und ein Tag. Mit Temperament, aber auch mit grosser Zuneigung erzählt er von der Zusammenarbeit mit seinem guten Freund, von ihren Spaziergängen und Diskussionen über Bücher, Filme, Besetzungen. Im Austausch zwischen den beiden zeigt sich, wie Humor und Ernst im Schaffensprozess zusammenspielen – und wie Literatur und grosses Kino entstehen.
Das authentische Dokument erscheint mit bisher unveröffentlichten Fotos vom Set, einem Vorwort von Theo Angelopoulos und einem exklusiven Nachwort des Autors für die deutsche Erstausgabe.
Tagebuch einer Ewigkeit: Am Set mit Angelopoulos. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes 2019
Drei Grazien: Ein Fall für Kostas Charitos. Roman. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes 2018
Offshore: Ein Fall für Kostas Charitos. Roman. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes 2017
Der Tod des Odysseus. Geschichten. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes 2017
Francesca Melandri
Francesca Melandri, geboren 1964 in Rom, hat sich in Italien zunächst als Autorin von Drehbüchern für Kino- und Fernsehfilme einen Namen gemacht. Mit ihrem ersten Roman Eva schläft wurde sie auch einem breiten deutschsprachigen Lesepublikum bekannt. Ihr zweiter Roman Über Meereshöhe wurde von der italienischen Kritik als Meisterwerk gefeiert.
In Alle, ausser mir, ihrem dritten Buch, thematisiert Melandri die oft verdrängte, grausame italienische Kolonialgeschichte. Die faschistische Kolonialpolitik in Abessinien (heute Äthiopien) schreckte auch vor Rassengesetzen und Massenmorden nicht zurück. Die Autorin erzählt diese vergessene Geschichte als Familienepos, in deren Mittelpunkt die römische Lehrerin Ilaria steht, die plötzlich die Welt nicht mehr versteht: Ein junger Mann aus Äthiopien behauptet, der Enkel ihres Vaters zu sein. Schicht für Schicht werden nun die Familiengeheimnisse von drei Generationen aufgedeckt. Ilaria muss sich mit der aktuellen Flüchtlingspolitik wie auch mit der italienischen Besetzung Äthiopiens befassen; Verwicklungen, die letztlich auch ein neues Licht auf noch schwelende Fehden sowie die Verantwortung Europas für gegenwärtige Flüchtlingsbewegungen werfen.
Francesca Melandri beschreibt eindrücklich den Verfall der öffentlichen Debatte und stellt einen Zusammenhang zwischen Berlusconis Vulgarität, der Gleichgültigkeit gegenüber der Historie und der Preisgabe humanistischer Ideale her.
Alle, ausser mir. Roman. Aus dem Italienischen von Esther Hansen. Wagenbach Verlag 2018
Eva schläft. Roman. Aus dem Italienischen von Bruno Genzler. Wagenbach Verlag 2018 (Deutsche Erstveröffentlichung Blessing 2011)
Über Meereshöhe. Roman. Aus dem Italienischen von Bruno Genzler. Wagenbach Verlag 2019 (Deutsche Erstveröffentlichung Blessing Verlag 2012)
Eman Mohammed Turki
Eman Mohammed Turki wurde in Ajman geboren. Nach einem Studium der Massenkommunikation arbeitete sie im Medienbereich, vor allem als Kulturjournalistin. Sie war Chefredakteurin der Zeitschrift Al Rajul Al Youm und publizierte in verschiedenen Zeitungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ausserdem schrieb sie internationale Berichte für die Agence France-Presse (AFP). Sie arbeitet als Kommunikationschefin für das Amt für Kultur und Tourismus, Abu Dhabi. Eman Mohammed Turki veröffentlichte zwei Gedichtbände, En Ghabat Al Sidra Wa En Ebtada Al Bahr (Englisch: If the Sidra was Absent, the Sea Became Distant) und Ghorfa Muwareba (Englisch: Illusive Room). Zuletzt erschien von ihr ein Gedicht für das in ganz Abu Dhabi spielende Theaterstück «Hetrotopia Abu Dhabi» des japanischen Regisseurs Akira Takayama.
Eman Mohammed Turki und Mariam Al-Saedi werden in Leukerbad neuübersetzte Texte lesen.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Gianna Molinari
Gianna Molinari, geboren 1988, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel und an der Universität Lausanne. Derzeit lebt sie in Zürich, wo sie die Kunstaktionsgruppe Literatur für das, was passiert mitbegründet hat, die Menschen auf der Flucht helfen will.
In ihrem Romandebüt Hier ist noch alles möglich nimmt uns eine namenlose Protagonistin mit auf ein Fabrikgelände am Stadtrand. Als Nachtwächterin passt sie, die ihre eigenen Spuren des bisherigen Lebens verwischt hat, auf das sich langsam leerende Areal einer Fabrik während der Stilllegungszeit auf. Durch den löchrigen Zaun des Geländes soll sich ein Wolf geschlichen haben. An diesem Nichtort, irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft stecken geblieben, wird nun der Wolf zum Motor ihres Daseins, die Suche nach ihm zu ihrem Halt. Diese triste Welt wird von Molinaris unprätentiöser Sprache aufgefangen: frei von Fremdwörtern, Nebensatzkonstruktionen, Zierrat und Flitter. Molinari hat jeden Satz bis auf seinen Kern abgeschält, sie entwickelt einen so einzigartigen Sound, dass man weiterlesen muss. Vielleicht auch, weil sie nie den Wolf zur Hauptfigur macht – so wie die Märchen verfahren – sondern stets der jungen Frau folgt. Nachts streift diese um die verwaiste Fabrik und beobachtet die Monitore der Überwachungskameras, tagsüber sucht sie nach Spuren. Doch das Tier bleibt unsichtbar und genauso rätselhaft wie seine Entdeckerin.
Gianna Molinari wird sich den Übersetzerinnen und Übersetzern im diesjährigen Übersetzungskolloquium stellen.
Hier ist noch alles möglich. Roman. Aufbau Verlag 2018
Terézia Mora
Terézia Mora wurde 1971 in Ungarn geboren und wuchs zweisprachig in einem kleinen Dorf nahe der österreichisch-ungarischen Grenze auf. Ihre Kindheit als Ungarn-Deutsche in der archaischen, von Armut gekennzeichneten Dorfwelt bezeichnete sie selbst als prägend. Sie studierte in Berlin und lebt seitdem mit ihrer Familie dort, seit 1998 als freie Autorin und Übersetzerin, unter anderem von Zoltán Danyi. In ihren Romanen und Erzählungen widmet sich Terézia Mora Aussenseitern und Heimatlosen, prekären Existenzen und Menschen auf der Suche und trifft damit schmerzlich den Nerv unserer Zeit. Schonungslos nimmt sie die Verlorenheit von Grossstadtnomaden in den Blick und lotet die Abgründe innerer und äusserer Fremdheit aus. Dies geschieht suggestiv und kraftvoll, bildintensiv und spannungsgeladen – mit ironischen Akzenten, irisierenden Anspielungen und analytischer Schärfe. Die Zeit, die flüchtige, ungenutzte, unwiederbringliche und nie ausreichende Zeit ist ein elementarer Teil ihrer neuesten Texte in dem Erzählband Die Liebe unter Aliens. Zudem scheint darin die Vision einer möglichen anderen, vielleicht besseren Welt sehr zart auf. Es ist eminent künstlerisch, wie Mora die Eigenheiten der Gegenwart in die Figuren verwandelt und utopische Momente in die Texte legt. Sie schreibt über Unglück, aber nicht sentimental, sie schreibt über Sonderlinge, aber nicht skurril. Darin liegt ihre meisterhafte Erzählweise.
Terézia Mora und Zoltán Danyi sind mit Der Kadaverräumer für den Internationalen Literaturpreis des HKW nominiert.
Die Liebe unter Aliens. Erzählungen. Luchterhand Literaturverlag 2016
Das Ungeheuer. Roman. Luchterhand Literaturverlag 2013
Der einzige Mann auf dem Kontinent. Roman. Luchterhand Literaturverlag 2009
Adolf Muschg
Adolf Muschg, Jahrgang 1934, hat einen jugendlich schlanken und zugleich wunderbar vielschichtigen Roman mit dem Titel Heimkehr nach Fukushima geschrieben. Er liest sich leicht, obwohl er von den letzten Dingen handelt; und die Liebesgeschichte, die er erzählt, ist gerade so unglaublich, dass man sie nur zu gern glaubt.
Die Katastrophe von Fukushima ist noch nicht überwunden, im Gegenteil. Auch wenn dies in Japan verdrängt wird. In Muschgs neuem Roman folgt der deutsche Schriftsteller Paul Neuhaus ungeachtet der Gefahren der Einladung eines befreundeten japanischen Paares in deren Heimat. Der ehemalige Architekt soll der erste einer Reihe von neuen Siedlern im evakuierten Gebiet werden. Der Staat möchte die weniger stark verstrahlten Gebiete um den Kernreaktor wieder besiedeln lassen und dieses Projekt mit einer Vorzeigekünstlersiedlung vorantreiben.
Paul Neuhaus und seine japanische Führerin begegnen einem Mann, der die zurückgelassenen Rinder mit Wasser und Futter versorgt, obwohl sie zu nichts mehr zu gebrauchen sind. «Vielleicht ist das Ende ja schon lange eingetreten», sagte er, «wir merken nur nichts davon, und es tut gar nicht so weh, wie wir immer gedacht haben.»
Celine Koffka schreibt über Heimkehr nach Fukushima im Mannheimer Morgen: «Muschgs Roman macht die atomare Katastrophe und das Leben danach auf eine Weise fühlbar, die Medienberichten versagt bleibt.» Der Roman ist auch eine Einführung in die japanische Kultur und Lebensart sowie eine geradezu dokumentarische Lektüre über einen Alltag, in dem der Geigerzähler wichtiger ist als die Uhr.
Heimkehr nach Fukushima. Roman. C.H. Beck 2018
Der weisse Freitag. Erzählung vom Entgegenkommen. C.H. Beck 2017
Die japanische Tasche. Roman. C.H. Beck 2015
Madame Nielsen
Madame Nielsen wurde 1963 im dänischen Jütland als Claus Beck-Nielsen geboren. Er ging in den neunziger Jahren nach New York und wurde Mitglied einer Performance-Gruppe. Ab 2000 lebte er als Claus Nielsen ohne Papiere auf der Strasse. 2001 erklärte er Claus Nielsen für tot und wurde Jahre später zu Madame Nielsen. Seit 2013 schreibt sie unter diesem Namen Romane. Genauso schillernd, unendlich mäandernd und schwer fassbar wie die Autorin ist ihr neuestes auf Deutsch übersetztes Buch Der endlose Sommer. Eine kleine Gruppe von Leuten wird im Spiel um Liebe, Freundschaft und Kunst aus der Zeit in einen endlosen Sommer geworfen, in dem alles möglich und schicksalsentscheidend ist. Was den Roman ausmacht, ist nicht so sehr die Geschichte, als vielmehr die Sprache und das, was die Sprache beim Lesen auslöst. Die Form ist nicht einfach Mittel zum Zweck. Form und Inhalt sind kongruent. So nebelhaft, traumhaft die Geschichte über weite Strecken ist, so wirkt auch die Sprache, die sich einem nur erschliesst, wenn man ihr mit absoluter Aufmerksamkeit folgt.
Madame Nielsen nimmt keine Rücksicht auf den Leser. Sie will nicht in erster Linie eine Geschichte erzählen. Madame Nielsen lässt einen mit vielen Leerstellen allein, mit Personen, die nur skizziert scheinen, mit einem Text, der sich nicht um Ordnung oder Chronologie kümmert. Es geht um Kunst. Der endlose Sommer ist eine literarische, eine geschriebene Performance.
In Zusammenarbeit mit dem DAAD Berlin.
Der endlose Sommer. Roman. Aus dem Dänischen von Hannes Langendörfer. Kiepenheuer & Witsch 2018
Alan Pauls
Alan Pauls, argentinischer Romancier, Essayist, Kritiker und Drehbuchautor, wurde 1959 in Buenos Aires geboren. Er studierte Literaturwissenschaften, wurde Dozent für Literaturtheorie und arbeitet als Redaktor für Tageszeitungen. International bekannt wurde Pauls durch seinen preisgekrönten und gleichnamig verfilmten vierten Roman Die Vergangenheit. Er lebt in Buenos Aires.
In einer Romantrilogie wendete sich Pauls direkt der politischen Vergangenheit, der Militärdiktatur der 1970er-Jahre zu. Vor dem Hintergrund der ideologischen Kämpfe jener Jahre schildert der Roman Geschichte der Tränen die geistig-seelische Entwicklung eines gebildeten Sohns einer progressiven Familie der Mittelschicht. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung des jungen Protagonisten mit seinen Zeitgenossen und den prägenden Ereignissen der Epoche. Im Roman Geschichte der Haare verstehen wir ganz allmählich, dass die Frage des Haarschnitts keineswegs nur für Berühmtheiten existenziell ist, sondern tief in der Seele des Menschen wurzelt und sich deshalb hervorragend als Brennspiegel einer Epoche eignet, in dem sich Hoffnungen, Haltungen und Versagen einer Generation bündeln. Im dritten Roman, Geschichte des Geldes muss der Erzähler am Ende immer bezahlen – in jeglicher Hinsicht. Schulden, für die niemand einsteht, absurde Investitionen und geheime Geschäfte – eine intensive und dringliche Betrachtung von menschlichem Verlust und verborgenen Ökonomien.
Der chilenische Schriftsteller Roberto Bolaño bezeichnete Alan Pauls als «einen der besten lebenden Schriftsteller Lateinamerikas».
In Zusammenarbeit mit dem DAAD Berlin.
Geschichte des Geldes. Roman. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Klett-Cotta 2016
Geschichte der Haare. Roman. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Klett-Cotta 2012
Geschichte der Tränen. Roman. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Klett-Cotta 2010
Antoinette Rychner
Antoinette Rychner, 1979 geboren, studierte zuerst Theatertechnik und danach am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Sie arbeitete in verschiedenen Westschweizer Theatern, bevor sie mit dem Schreiben von Bühnenstücken begann. Mit Der Preis hat Antoinette Rychner einen modernen Künstlerroman geschrieben, scharf- und feinsinnig, voller aussergewöhnlicher Bilder. Ein Bildhauer mit verzehrenden Ambitionen, endlich einen Preis zu gewinnen, durchlebt die Leiden aller Künstlerinnen und Künstler: Er hat zu wenig Zeit, zu wenig Ruhe und zu wenig Macht, den kreativen Prozess zu kontrollieren. Zwar hofft er, dass alles besser sein könnte, wenn da nicht die anderen wären; seine Familie, seine Frau S, Chnopf und Chnopfzwo, die Ansprüche stellen, Geräusche machen und deren Liebenswürdigkeit ihn dabei stört, seiner Berufung konsequent zu folgen. Der Ruf der Muse aber ist unerbittlich, und solange der Preis nicht gewonnen ist, kann der Bildhauer nicht glücklich sein. Und schliesslich muss er sich fragen, was eigentlich gewonnen wäre, mit diesem Preis. Mit welchem Mass misst man Erfolg? Und wann ist man eigentlich, wer man sein möchte? Der Preis ist eine kritische Reflexion über das Streben nach Anerkennung und das Selbstverständnis als Künstler. Absolut frei von Kitsch ist es ein kluges Buch über Willenskraft, Zeit, Alltag, Hoffnung und Liebe.
Der Preis. Roman. (Orig.: Le Prix. Buchet/Chastel 2015) Aus dem Französischen von Yla M. von Dach. Verlag Die Brotsuppe 2018
Géraldine Schwarz
Géraldine Schwarz wurde 1974 in Strassburg geboren, als Tochter einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters. Die Autorin, Dokumentarfilmerin und Journalistin kam als AFP-Korrespondentin nach Deutschland und lebt heute in Berlin. In ihrem Buch Die Gedächtnislosen vertritt Géraldine Schwarz eine interessante These: Die rechtspopulistischen Strömungen in Europa lassen sich damit erklären, wie sich der Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Schwarz verknüpft dazu ihre eigene deutsch-französische Familiengeschichte mit der Weltgeschichte: Wir erfahren so, wie ihr Grossvater, der ein jüdisches Unternehmen im Zuge der Arisierung erworben hat, dem einzigen Überlebenden der in Auschwitz ermordeten Fabrikantenfamilie die Reparationszahlungen verweigert. Der Grossvater mütterlicherseits hat unter dem Vichy-Regime als Gendarm mitgeholfen, bei Razzien nach Juden zu suchen. Überdeutlich sind nun die Unterschiede beim Umgang mit der nationalen Geschichte: Während in Deutschland Mitläufertum und Mittäterschaft zu bestimmenden Themen wurden, blendeten die Franzosen sie weitgehend aus.
Die Gedächtnislosen ist ein sehr persönliches Werk der Erinnerungskultur. Mit beispielhafter Sorgfalt plädiert dieses Buch für eine Fortführung der Gedächtnisarbeit, um den völkischen und nationalistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Seine Botschaft ist alles andere als neu, aber beklemmend aktuell.
Gesprächsreihe «Perspektiven»
Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin. Aus dem Französischen von Christian Ruzicska. Secession Verlag 2018
Vladimir Sorokin
Vladimir Sorokin, 1955 geboren, gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Russlands. Sorokin ist einer der schärfsten Kritiker der politischen Eliten Russlands und sieht sich regelmässig heftigen Angriffen regimetreuer Gruppen ausgesetzt. Sein jüngster Roman Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs ist ein wilder Ritt durch Ramsch und Weltliteratur. Er strotzt vor quirligem Sprachwitz, umwerfender Komik und graziöser Hinterhältigkeit. Die Bibliomanen des fortschreitenden 21. Jahrhunderts verschlingen Gorki, Proust und Mann nicht mehr mit den Augen, sondern übergeben sie den Flammen. Die gedruckten Werke der Weltliteratur sind die Grillkohle der Zukunft und der entscheidende Bestandteil einer Nouvelle Cuisine, die sich Book ’n’ Grill nennt.
Der Roman ist auch ein bissiger Kommentar zum heutigen globalen Befinden, zur europäischen Malaise im Allgemeinen und zum russischen Desaster im Besonderen, denn bekanntlich wurden Sorokins Bücher schon von rabiaten Putin-Anhängern öffentlich verbrannt. Zwischendurch zwinkert Sorokin spöttelnd seinem Kollegen Michel Houellebecq zu, denn als Untergangsprophet ist er allemal unterhaltsamer als der französische Grossschriftsteller.
Der Erzähler in diesem «Tagebuch» ist Géza, Könner im elitären, aber illegalen Beruf des Grillierens über Büchern und spezialisiert auf russische Literatur. Er jettet als «Meisterkoch» um den Globus, verbrennt nur hochwertiges Schriftgut, verdient einen Haufen Geld und hat Spass daran, auch in der Schweiz, wo er in den Bergen, just bei Leukerbad (Vladimir Sorokin war 2016 am Literaturfestival Leukerbad), einen Zarathustra verbrennt.
Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs. Roman. Aus dem Russischen von Andreas Tretner. Kiepenheuer & Witsch 2018
Telluria. Roman. Aus dem Russischen vom Kollektiv Hammer und Nagel. Kiepenheuer & Witsch 2015
Der Schneesturm. Roman. Aus dem Russischen von Andreas Tretner. Kiepenheuer & Witsch 2012
Ré Soupault
Ré Soupault, geboren 1901 als Erna Niemeyer in Pommern, gestorben 1996 in Paris, arbeitete bereits während ihres Studiums von 1921 bis 1925 am Bauhaus in Weimar mit dem Avantgardisten Eggeling an dessen Experimentalfilm Diagonal-Symphonie. Die Studienjahre am Weimarer Bauhaus haben sie geprägt. Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer haben sie unterrichtet. Hartnäckigkeit, Energie und unzählige Ideen ermöglichen ihr vielleicht ehrgeizigstes Projekt: ein eigenes Modestudio in Paris, nachdem sie schon in Berlin, nach der Schliessung des Weimarer Bauhauses 1925, für einen Modeverlag gezeichnet hatte.
Tunesien, Latein- und Nordamerika, die Schweiz und schliesslich wieder Paris waren weitere Lebensstationen dieser modernen Nomadin, die stets kreativ mit neuen Lebenssituationen umging, immer wieder alles hinter sich lassend und Neues beginnend. Seit 1946 arbeitete sie auch als Übersetzerin (unter anderen Werke von André Breton, Philippe Soupault) und Rundfunkautorin. Ré Soupault zählt zu den wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.
Ré Soupaults fotografisches Werk wurde erst Ende der 1980er-Jahre wiederentdeckt. Einige ihrer Fotografien werden während des Literaturfestivals Leukerbad in der Galerie St. Laurent gezeigt.
Vom Dadaismus zum Surrealismus. Zwei Essays. Hg. Manfred Metzner. Verlag Das Wunderhorn 2018
Nur das Geistige zählt. Vom Bauhaus in die Welt. Erinnerungen. Hg. Manfred Metzner. Verlag Das Wunderhorn 2018
Katakomben der Seele. Eine Reportage über Westdeutschlands Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem 1950. Hg. Manfred Metzner. Verlag Das Wunderhorn 2016
Aleš Šteger
Aleš Šteger, geboren 1973 in Ptuj, Jugoslawien, ist der wohl bekannteste slowenische Dichter, Schriftsteller, Lektor, Übersetzer und Journalist. Er studierte in Ljubliana, wo er heute arbeitet und lebt. Für seine Gedichte, die in viele Sprachen übersetzt und weltweit in Literaturmagazinen veröffentlicht wurden, erhielt er zahlreiche Preise. Seit 2014 gehört er zu den Mitgliedern der Akademie der Künste in Berlin. Einmal im Jahr arbeitet Aleš Šteger an einem Logbuch der Gegenwart, in dem er zwölf Stunden lang einen Ort beschreibt – in Mexiko, Indien oder Fukushima.
Sein neuer Gedichtband Über dem Himmel unter der Erde ist nach einer Japanreise entstanden. Herausgekommen ist eine Art Meditationsdichtung mit grosser Nähe zum klassischen Haiku. Die einfachen, konzentrierten und rhythmischen Gedichte faszinieren durch leuchtende Farben, Präzision und einen genauen Blick. Wie der slowenische Dichter lakonisch und ohne Mätzchen ein metaphysisches Kontinuum initiiert, das Himmlisches und Menschliches vereint, Sprechen und Schweigen, Geschichte und Gegenwart, ist stark und vor allem echt. Und die Leichtigkeit im summend gehenden Blick ist Aleš Štegers Poesie ebenso eigen, wie seine achtsam gesetzten philosophischen Erkenntnisse inspirierend sind. Marica Bodrozic sagt dazu: «Endlich frischt einer die Lyrik geistig auf und schreibt Gedichte, in denen das Unausweichliche und die Gnade ihren Platz einnehmen und atmen dürfen [...]»
In Leukerbad wird Aleš Šteger auch in Begleitung des Akkordeonspielers Jure Tori auftreten.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Rahmen des Projekts Europa im Gedicht – Grand Tour.
Über dem Himmel unter der Erde: Gedichte. Aus dem Slowenischen von Matthias Göritz. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser 2019
Archiv der toten Seelen. Roman. Aus dem Slowenischen von Matthias Göritz. Schöffling Verlag 2016
Logbuch der Gegenwart. Taumeln. Aus dem Slowenischen von Matthias Göritz. Mit einem Vorwort von Péter Nádas. Haymon 2016
Maria Stepanova
Maria Stepanova, 1972 in Moskau als Tochter jüdischer Vorfahren geboren, verfolgt deren Spuren in ihrem Roman Nach dem Gedächtnis weit zurück. Bedingt und bestimmt ist diese Familiengeschichte durch die Zeitläufe des ausgehenden 19. sowie des 20. Jahrhunderts: die Pogrome des zaristischen Regimes, die Judenvernichtung durch die Nazis, die antijüdische Hetze unter Stalin. Wie Erinnerung funktioniert und was sie von mir will: eine der typischen Umdrehungen, die Stepanova in Nach dem Gedächtnis vornimmt. Ihr Blick kommt oft wie von hinten. Von einer Rückseite. Will die Erinnerung etwas von uns? Das Nachgedächtnis, so Stepanova, «verändert auch die Gegenwart: Es macht die Anwesenheit des Vergangenen zu einem Schlüssel für das tägliche Leben.» Freilich scheint ihr, wieder überraschend gedreht, «als könne man die Vergangenheit nur lieben, weil man sicher weiss, dass sie nicht wiederkehrt».
Wenn man das Buch aufschlägt, glaubt man überrascht und fasziniert, es spreche von uns. Davon etwa, wie man die Wohnung der eigenen Eltern geräumt hat. Von der Verantwortung und der Ohnmacht gegenüber all den sprechenden Fundstücken: zerfledderten Klaviernoten, schadhaften Küchengeräten, vergilbten Kinderzeichnungen, Schachteln voller unentzifferbarer Briefe.
Stepanova hat eine bestechende Form von Literatur erfunden, collagiert aus autobiografischer Erzählung, biografischer Forschung und kulturwissenschaftlichem Essay.
(Dieser Text basiert auf der Rezension zu Nach dem Gedächtnis von Barbara Villiger Heilig, die am 26.11.2018 in der Republik erschienen ist.)
Nach dem Gedächtnis. Roman. Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja. Suhrkamp Verlag 2018
Christian Uetz
Der 1963 in Egnach am Bodensee geborene Christian Uetz ist studierter Philosoph, und er glaubt an keine Wahrheit ausserhalb der Sprache. Ob im Gedicht oder in der Prosa: Sein Tanz an ihren Rändern ist immer auch ein Seiltanz über den Abgründen der Existenz. Und er gilt als Virtuose, wenn es um die Intensität der Sprache geht. Auswendig und in einem rasenden Tempo rezitiert er seine Texte bei Auftritten, dass einem Hören und Verstehen vergeht. Das ist gewollt. Einzig die Wortkraft zählt und die Suggestivkraft der Sätze, kaum deren Inhalt. In seinem Gedichtband Engel der Illusion formuliert Uetz spielerisch und doch souverän Gedichte um gewichtige Themen: um die Präsenz des Anderen im Selbst, um Anwesenheit und Abwesenheit, um Negativität und Transzendenz. Mit seinen bildgewaltigen, selbstverlorenen und dabei tief nachdenklichen Gedichten sucht Christian Uetz in der Sprache nach der verborgenen Präsenz dieser Engel der Illusion, um ihr Scheinen erfahrbar zu machen. Was seine Texte so hervorbringen, sind Ekstasen der Begierde und die Trunkenheit der Vernunft. Es ist der Wahnsinn des Tages. Ihr Fluchtpunkt bleibt dabei stets eine mitreissende Affirmation des Lebens und der Sinnlichkeit, ein Lob der Sprache als derjenigen Kraft, welche die Illusion als Wahrheit, das Jenseits als Teil des Diesseits erkennbar macht.
Engel der Illusion. Gedichte. Secession 2018
Es passierte. Roman. Secession 2015
Sunderwarumbe. Roman. Secession 2012
Nur Du, und nur Ich. Roman in sieben Schritten. Secession 2011
Aglaja Veteranyi
Aglaja Veteranyi, geboren 1962 in Bukarest, 2002 in Zürich gestorben, entstammte einer rumänischen Familie von Zirkusartisten; der Vater trat als Clown auf, die Mutter als Akrobatin. 1967 floh die Familie aus Rumänien. In den folgenden Jahren musste Aglaja Veteranyi als Artistin und Tänzerin auftreten. Die Familie bereiste Westeuropa, Afrika und Südamerika und Veteranyi konnte deshalb keine Schule besuchen – sie war Analphabetin. 1977 liess sich die Familie in der Schweiz nieder. Hier eignete Aglaja Veteranyi sich selbst die geschriebene und gesprochene deutsche Sprache an. Daneben absolvierte sie eine Schauspielausbildung an der Schauspiel-Gemeinschaft Zürich, wo sie danach auch unterrichtete. Sie verfasste Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Theaterstücke. Vor allem ihre autobiografischen Texte, in denen sie ihre schwere Kindheit verarbeitete, wurden ob ihrer Authentizität von der Literaturkritik hochgelobt und hatten schnell grossen Erfolg.
Aglaja Veteranyi nahm sich 2002 in einer psychischen Krise das Leben. In ihrer kurzen Schaffensphase hat sie zahlreiche Notizbücher und Makulaturblätter mit Texten gefüllt. Sie hat fortlaufend durchgestrichen, um- und neu geschrieben. So umfasst ihr Nachlass noch eine beträchtliche Anzahl unveröffentlichter Texte, die zu Teilen nun in zwei neuen Bänden zugänglich sind: Café Papa. Fragmente. und Wörter statt Möbel. Fundstücke.
Die Texte von Aglaja Veteranyi werden am Literaturfestival Leukerbad von Tanja Maljartschuk, Pedro Lenz, und Rolf Hermann gelesen.
Café Papa. Fragmente. Edition spoken script 29. Der Gesunde Menschenversand 2018.
Wörter statt Möbel. Fundstücke. Edition spoken script 28. Der Gesunde Menschenversand 2018
Hier Himmel. 30 Postkarten. Der gesunde Menschenversand 2018
Jan Wagner
Jan Wagner, geboren 1971 in Hamburg, ist Lyriker, Übersetzer englischsprachiger Lyrik (unter anderem von Charles Simic, James Tate, Simon Armitage, Matthew Sweeney, Jo Shapcott und Robin Robertson) sowie Essayist und Herausgeber. Er lebt seit 1995 in Berlin. Für seine Gedichte, die für Auswahlbände, Zeitschriften und Anthologien in 35 Sprachen übersetzt wurden, wurde er vielfach ausgezeichnet. Und dass der Stellenwert der Lyrik wieder steigt, wurde offensichtlich, als mit Jan Wagner 2015 erstmals ein Lyriker den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt. Über sein Schreiben sagt die taz: «Jan Wagner ist ein Reisender in der Tradition der Romantiker, ein Wanderer, der die ‹kleinen› Dinge vor sich sieht: ‹da war ein jetzt, und da war ein hier.› Wagner betrachtet die Welt im Bewusstsein desjenigen, der nicht nur weiss, sondern sich darüber freut, dass diese Welt auch ohne ihn da ist und da sein wird.» Und die FAZ bescheinigt ihm ein «Hochseilartist der Form» zu sein, denn er beherrscht die traditionellen Gedichtformen, ohne sich von ihnen beschränken zu lassen.
Über sein Schreiben hinaus ist Jan Wagner Herausgeber einer beeindruckenden Zahl umfassender Anthologien. Darunter, gemeinsam mit seinem italienischen Kollegen Federico Italiano, die Grand Tour. Reisen durch die junge Lyrik Europas.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Rahmen des Projekts Europa im Gedicht – Grand Tour.
Die Live Butterfly Show. Gedichte. Hanser 2018
Der verschlossene Raum. Beiläufige Prosa. Essays. Hanser 2017
Selbstporträt mit Bienenschwarm. Ausgewählte Gedichte 2001–2015. Hanser 2016
Regentonnenvariationen. Gedichte. Hanser 2014
Nell Zink
Nell Zink, 1964 in Kalifornien geboren, wuchs im ländlichen Virginia auf. Schon im Teenageralter schrieb sie, interessierte sich für Vögel und die Natur und las viel. Sie studierte Philosophie und arbeitete danach in verschiedenen Berufen. Zink führt aus Überzeugung das Leben einer Aussenseiterin. Sie hält sich fern vom Literaturbetrieb, damit sie keine Gefahr läuft, sich vereinnahmen oder gar beeinflussen zu lassen. Heute wohnt sie in Bad Belzig, südlich von Berlin, und sagt dazu: «Wer arm ist, muss in Deutschland sein, und wer reich ist, kann in Amerika überleben.» In ihrem neusten Roman Virginia leben die Mutter Peggy und ihre hellblonde Tochter nach der Flucht aus einer gescheiterten Ehe mit erschwindelten Ausweispapieren als «Schwarze» unerkannt in einem kleinen Ort in Virginia, wo sie sich in einem leerstehenden Haus Nachfragen nach ihrem Verbleib entziehen. Nell Zink nimmt in dieser temporeichen dunklen Komödie scharfzüngig die fundamentalen Widersprüche in der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn: Rasse, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht und Sexualität. Etwa mit der Frage, wie leicht eine Welt gewillt ist, jemanden für schwarz zu halten – entgegen jedem äusserlichen Anschein.
Es bereitet höchstes Vergnügen, diesem Feuerwerk von einem Buch beim Abbrennen zuzusehen. Es ist aber auch bewegend, nachdenklich und skeptisch und damit unverkennbar ein Werk der janusköpfigen Nell Zink.
Virginia. Roman. Aus dem Englischen von Michael Kellner. Rowohlt 2019
Nikotin. Roman. Aus dem Englischen von Michael Kellner. Rowohlt 2018
Der Mauerläufer. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Überhoff. Rowohlt 2016