AUTORINNEN UND AUTOREN
Am 22. Internationalen Literaturfestival
Leukerbad nehmen teil:
Bachtyar Ali, Irak/Kurdistan
Lukas Bärfuss, Schweiz
Azouz Begag, Frankreich
Michael Fehr, Schweiz
Christoph Geiser, Schweiz
Heiner Goebbels*, Deutschland
Nora Gomringer, Schweiz
Georgi Gospodinov, Bulgarien
Rolf Hermann, Schweiz
Franz Hohler, Schweiz
Anja Kampmann, Deutschland
Anna Kim, Österreich
Chris Kraus, Deutschland
Sibylle Lewitscharoff, Deutschland
Jonas Lüscher, Schweiz
Nikola Madzirov, Mazedonien
Urs Mannhart, Schweiz
Monika Maron, Deutschland
Robert Menasse, Österreich
Lina Meruane, Chile
Quentin Mouron, Schweiz
Sharon Dodua Otoo, Deutschland
Tim Parks, Grossbritannien
Marie-Jeanne Urech, Schweiz
David van Reybrouck, Belgien
Anna Weidenholzer, Österreich
Levin Westermann, Schweiz
John Wray, USA
Jeffrey Yang, USA
Liao Yiwu, China
Kathy Zarnegin, Schweiz
Serhij Zhadan, Ukraine
* Nur am 28.6. im Literaturhaus Zürich
Bachtyar Ali
Er ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller und Poeten des autonomen irakischen Kurdistans. Geboren 1966 in Sulaimaniya (Nordirak), geriet er 1983 mit der Diktatur Saddam Husseins in Konflikt, wurde bei Studentenprotesten verletzt und brach sein Geologiestudium ab. Nach dem Aufstand von 1991 und der damit verbundenen teilweisen Autonomie boten sich den Schriftstellern und Intellektuellen in den kurdischen Gebieten bisher ungekannte Artikulationsmöglichkeiten. Bachtyar Ali intensivierte seine eigene schriftstellerische Tätigkeit und widmete sich gleichzeitig der philosophischen Zeitschrift «Azadi» (Freiheit). Sein Werk umfasst Romane, Gedichte und Essays. In Kurdistan gewann er grosses Ansehen durch seine unparteiische Haltung und seine offene Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen in seiner Heimat.
Zwanzig Jahre lebte der Erzählmagier unentdeckt in Deutschland. Nun legt der Unionsverlag seine bildmächtige Parabel über die Unterdrückung und den Bruderzwist der irakischen Kurden vor – Bachtyar Alis erstes Buch, das auf Deutsch erscheint. DER LETZTE GRANATAPFEL, ein Roman von scharfer Aktualität und berückender Poesie, erzählt die Geschichte eines hochrangigen Peschmerga an Bord eines Bootes, das ihn zusammen mit anderen Flüchtlingen in den Westen bringen soll. Es ist eine Reise durch Geheimnisse und zu Personen, die ihm dabei helfen, seinen verschollenen Sohn zu finden. Eine Reise, die ihn schliesslich auf den Weg führt, den schon Tausende vor ihm genommen haben: übers Mittelmeer in den Westen.
Bachtyar Ali lebt seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland.
DER LETZTE GRANATAPFEL. Roman. Aus dem Kurdischen von
Lukas Bärfuss
Lukas Bärfuss, geboren 1971 in Thun, ist Dramatiker, Romancier und Essayist. Seine Stücke werden weltweit gespielt, seine Bücher sind in etwa zwanzig Sprachen übersetzt worden.
In jedem seiner Romane wagt sich Lukas Bärfuss auf neues Terrain. In HAGARD, seinem faszinierenden dritten Roman, zeigt er uns, wie wir uns als technikabhängige Wesen auf sehr dünnem Eis bewegen.
Das Wort HAGARD ist weder im Duden noch sonst in einem gängigen deutschen Wörterbuch zu finden. Lukas Bärfuss verrät, dass dies ein Fachwort aus der Jägersprache ist. Gemeint ist damit ein wild gefangener Falke, der abgerichtet wird, sich aber nie ganz zähmen lässt.
Ums Jagen, Verfolgen und ums Ungezähmte geht es in diesem Roman: Der Erzähler jagt darin einer Geschichte nach, die er nie ganz zu fassen bekommt. Die Hauptfigur dieser Geschichte, ein grundsolider Endvierziger, lässt plötzlich alles stehen und liegen, verfolgt stattdessen wie im Rausch eine unbekannte Frau und fällt völlig aus dem Trott des Gewohnten. Das wird einerseits als unheilvoll geschildert, aber auch als positiv. So übermüdet, verschlissen und hungrig wie der Protagonist ist, nimmt er nun seine Umgebung wacher und schärfer wahr als zuvor.
Lukas Bärfuss liefert ein bedenkenswertes Porträt unserer Gesellschaft, die sich von technischen Errungenschaften wie etwa dem Handy abhängig gemacht hat. Fehlen die Geräte, sind die Menschen «abgeschnitten von der Welt, stumm und taub und getrennt von den anderen und gänzlich hilflos».
HAGARD. Roman. Wallstein Verlag 2017
STIL UND MORAL. Essays. Wallstein Verlag 2015
KOALA. Roman. Wallstein Verlag 2014
Azouz Begag
Azouz Begag, Schriftsteller, Soziologe, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, wurde 1957 in Lyon geboren, wo er heute auch lebt. Seine Eltern stammten ursprünglich aus Algerien. Begag wuchs in der Banlieue von Lyon auf und wurde in seiner Schulzeit häufig mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert.
Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit trat er 1986 mit seinem autobiografisch geprägten Jugendroman LE GONE DU CHAÂBA (dt. AZOUZ, DER JUNGE VOM STADTRAND. EINE ALGERISCHE KINDHEIT IN LYON) auch als Schriftsteller hervor. Darin reflektiert er humorvoll und detailliert seine eigenen Erfahrungen als Kind eines Gastarbeiters, thematisiert die doppelte Identität und denkt über die Unterschiede zwischen den Einwanderergenerationen nach. Der Roman wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und 1998 verfilmt. Seitdem verfasste Azouz Begag mehr als zwei Dutzend Kinder- und Jugendbücher, Romane sowie zahlreiche Essays und Sachbücher zu kulturellen und politischen Themen mit besonderem Fokus auf Fragen der Immigration und Integration.
Seit 2004 ist Begag Mitglied des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen. 2005 bis 2007 war er zudem beigeordneter Minister für die Förderung von Chancengleichheit unter dem damaligen Innenminister Dominique de Villepin. In seinem politischen Amt engagierte er sich auf allen Ebenen für die gesellschaftliche Vielfalt und sagte in diesem Zusammenhang: «Ich habe mein Kabinett entsprechend dieser Vielfalt zusammengestellt; es ähnelt dem Frankreich von heute.»
LEÇONS COLONIALES. Delcourt 2012
BOUGER LA BANLIEUE: L'INTÉGRATION EN QUESTION. Elytis 2012
LE GONE DU CHAÂBA. Editions du Seuil 2005
Michael Fehr
Michael Fehr, geboren 1982, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut Biel und am Y Institut der Hochschule der Künste Bern. Er ist Erzähler und lebt in Bern. 2015 bis 2016 war er Teil des Hausautorenkollektivs am Luzerner Theater. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, aber seine Texte leben durch seine magischen Auftritte – oft zusammen mit Musik oder Rhythmus. Wort und Klang: Bei Michael Fehr spielt diese Kombination eine besondere Rolle, denn der stark sehbehinderte Berner ist auch ein bekannter Spoken-Word-Künstler. Seine Texte schreibt er nicht – er zeichnet sie akustisch auf. Und so liest man Michael Fehrs Texte nicht einfach. Sie tönen, wenn man sie liest.
In GLANZ UND SCHATTEN, einer Sammlung kurzer Erzählungen, die man auch Sprechstücke nennen könnte, verwandelt Michael Fehr mit knappen, aber sorgfältig gewählten Worten kurze Sätze oder Redewendungen in tiefgründige Szenen mit überraschenden Bildern. Man weiss nie, wohin die nächste Zeile führen wird: Bringt sie Neues oder präzisiert sie Gesagtes oder macht sie einen Umweg? Fehrs Sprache ist zwar nicht neu, aber eigen: Manchmal umfassen Zeilen nur ein Wort, manchmal eine ganze Phrase. Mit Masche oder Kalkül haben auch die Mundart-Einsprengsel in Fehrs Texten nichts zu tun: Den Unterschied zwischen Standardsprache und Dialekt mache er nicht, hat Fehr in einem Gespräch an der Leipziger Buchmesse erklärt. Es gebe für ihn nur die eine Sprache, die Wörter und Klänge, die ihm zu Verfügung stünden. Aus diesem Fundus schöpft Fehr seine Literatur.
GLANZ UND SCHATTEN. Erzählungen. Der gesunde Menschenversand 2017
SIMELIBERG. Der gesunde Menschenversand 2015
KURZ VOR DER ERLÖSUNG. Siebzehn Sätze. Der gesunde Menschenversand 2013
Christoph Geiser
«Ich bin ein eher schwermütiger Mensch und daher ungeeignet für unterhaltsame Selbstbeschreibungen. Ich bin aufgewachsen in Basel, wollte ursprünglich Theologie studieren, verirrte mich in die Soziologie, brach das Studium nach kurzem ab und verdiente meinen Lebensunterhalt als Journalist. Seit 1974 lebe ich als freiberuflicher Autor meistens in Bern und schreibe hauptsächlich Romane. Am wohlsten fühle ich mich in Berlin. Zuhause bin ich in den Bildwelten des Caravaggio und in den Kerkern des Marquis de Sade.» Das schreibt Christoph Geiser über sich selbst auf «Literapedia Bern».
Geisers Roman DA BEWEGT SICH NICHTS MEHR fasst Clemens Klopfenstein so zusammen: «Er sei zufällig in der Nähe dreier Morde gewesen, schreibt er: Beängstigend dreht sich alles mäanderhaft in seinem Kopf, die Mörder, die Täter, die Opfer, die Polizisten, die Medien, und wie in einer Waschmaschine werden die Kontrahenten, die Einzelteile, die Details, die Waffen, die Schatten, die Bars durcheinander gewirbelt.»
Der 1949 geborene Schriftsteller ist mit seinem eigenen Begehren und seiner Fantasie in die Geschichten verwickelt, die er mittels Internet und Quellenstudium zu rekonstruieren versucht. Dabei verheddert er sich, wie er einmal sagt, im Gestrüpp der Geschichten, weil jedes Wort, jeder Ausdruck Anlass sein kann für Assoziationen, für Wortspiele und Kalauer, die plötzlich die scheinbar harmlose Berichterstattung über die Morde hintergründig werden lassen.
DA BEWEGT SICH NICHTS MEHR. Erzählung. Spiegelberg Verlag 2016
SCHÖNE BESCHERUNG. Roman. Offizin Verlag 2013
DER ANGLER DES ZUFALLS. Schreibszenen. Hrsg. von Michael Schläfli. Männerschwarm Verlag 2009
Nora Gomringer
Nora Gomringer, geobren 1980, ist eine schweizerisch-deutsche Lyrikerin, Rezitatorin und Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2015. Sie lebt in Bamberg, wo sie seit 2010 Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia ist. Dass sie eine der wichtigsten Lyrikerinnen ihrer Generation ist, steht spätestens seit ihrem Gedichtband KLIMAFORSCHUNG fest.
Nora Gomringer hat keine Scheu vor schwierigen und harten Themen. Ihren Erfolg als Dichterin verdankt sie neben ihrem virtuosen Umgang mit der Sprache auch ihren Auftrittsqualitäten: Durch eine klassische Gesangsausbildung verfügt sie über grosse Ausdruckskraft und darüber hinaus über eine Energie, dank der sie sogar den letzten Sprachwinkel erreicht. Steht Nora Gomringer auf der Bühne, dann spricht, ruft, hallt, zischt, flüstert, singt und jubiliert es.
Gomringers Interesse für prägnante Vermittlung, ihr Sinn für Dramaturgie und ihre Freude an Sprechinszenierungen stammen aus ihrer Poetry-Slam-Phase zwischen 2001 und 2006. Sie sei eine «aufgeräumte Slammerin» gewesen, sagt sie, allerdings waren ihre Erziehung und ihre Absichten zu klassisch, um dauerhaft in dieser Szene zu bleiben. Wer Gomringers Texten und ihren sonstigen Äusserungen genauer zuhört, spürt im Hintergrund Unruhe und Unglück. Was sie allerdings auszeichnet, ist ihr tiefes Vertrauen in die Sprache. Und die Selbstverständlichkeit, mit der sie Literatur und Kunst als natürlichen Teil des Lebens sieht.
MORBUS. Buch mit Audio-CD. Mit Illustrationen von Reimar Limmer. Voland & Quist 2015
MEIN GEDICHT FRAGT NICHT LANGE RELOADED. Buch mit Audio-CD. Voland & Quist 2015
ACHDUJE. Sprechtexte. Der gesunde Menschenversand 2015
ICH BIN DOCH NICHT HIER, UM SIE ZU AMÜSIEREN. Texte und Reden. Voland & Quist 2015
Georgi Gospodinov
Georgi Gospodinov wurde 1968 in Jambol (Bulgarien) geboren. Einem internationalen Publikum wurde er mit seinem ersten Werk NATÜRLICHER ROMAN (1999) bekannt, von dem mittlerweile Übersetzungen in 23 Sprachen vorliegen. Er schreibt Gedichte, Erzählungen, Romane, Theaterstücke und arbeitet als Literaturredakteur und Dozent für kreatives Schreiben. Sich selbst nennt er einen Geschichtenerzähler.
Die Kindheit ist für Gospodinovs Literatur die wichtigste Lebensphase, vor allem die ersten sieben Jahre, in denen Status, Aussehen und Herkunft keine Rolle spielen. «Ich liebe diese anarchistische Zeit der Kindheit. Später kommt der Staat. Die Schule lehrt dich, stolz darauf zu sein, dass du ein Bulgare oder ein Schweizer bist. Wenn du aber glaubst, dass die Bulgaren die Besten sind, dann müssen andere schlechter sein. Das ist die dumme Logik des Nationalismus.»
In seinem neusten Erzählband 8 MINUTEN UND 19 SEKUNDEN begegnen wir hinterwäldlerischen Dorfbewohnern auf dem südlichen Balkan, einem Kind, das nacheinander verschiedene Väter adoptiert, einem Autor, der ganz Lissabon nach einer unbekannten Schönen absucht, und zahlreichen simplen oder auch raffinierten Ehebrechern; einige Geschichten werfen Blicke in die kommunistische Vergangenheit des Landes und andere in die Zukunft der Menschheit.
Verspielt und elegant breitet Gospodinov eine Welt vor uns aus, wie wir sie aus seinen beiden Romanen schon kennen – eine Welt, die zwar detailgenau und oft sehr komisch diesseitig ist, aber dennoch mehr den Einfällen und Eskapaden der Phantasie als den Gesetzen der Realität folgt.
8 MINUTEN UND 19 SEKUNDEN. Erzählungen. Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann. Droschl Verlag 2016
PHYSIK DER SCHWERMUT. Roman. Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann. Droschl Verlag 2014
KLEINES MORGENDLICHES VERBRECHEN. Gedichte. Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann u.a. Droschl Verlag 2010
Rolf Hermann
Rolf Hermann wurde 1973 in Leuk im Kanton Wallis geboren und lebt heute als freier Schriftsteller in Biel. Das Studium der Anglistik und Germanistik in Fribourg und Iowa (USA) verdiente er sich als Schafhirt im Simplongebiet. Rolf Hermann ist Mitglied der Mundart-Combo «Die Gebirgspoeten » und schreibt Lyrik, Prosa, Performance-Texte und Hörspiele, oft auch in Mundart. Seine Texte, die bislang in Zeitschriften, Anthologien und fünf Einzelveröffentlichungen erschienen sind, wurden auszugsweise ins Arabische, Englische, Französische, Litauische, Polnische und Spanische übersetzt.
Sein neuster Erzählband DAS LEBEN IST EIN STEILHANG beschreibt, wie ein amerikanischer Student an einer Dissertation über den Lötschentaler Dialekt schreibt und in einem Karaoke-Bistro zu einer überraschenden Einsicht gelangt. Ein fernsehsüchtiges Hobby-Schafzüchter-Ehepaar entdeckt auf der Schafweide die Erotik des Küssens neu. Und am Gymnasium Sanctus Jubilate fristet ein kurioses Lehrervölklein sein pädagogisches Dasein zwischen sinnloser Weiterbildung und Kulturreisen ins Waffenmuseum von Venedig.
Mit schelmischem Humor widmet sich Rolf Hermann dem alltäglichen Wahnsinn. Dieser neue Erzählband ist ein vielgestaltiges und äusserst vergnügliches Buch. Und weil das Walliserdeutsche nicht gerade eine Weltsprache ist, können die meisten sprachlichen Steilhänge gleich zweimal erklommen werden: uff Wallisärtiitsch und in der hochdeutschen Übersetzung von Ursina Greuel und Rolf Hermann selber.
DAS LEBEN IST EIN STEILHANG. Spoken Word. Der gesunde Menschenversand 2017
KURZE CHRONIK EINER BRUCHLANDUNG. Gedichte. Verlag X-Time 2011
HOMMAGE AN DAS RÜCKENSCHWIMMEN IN DER NÄHE VON CHICAGO UND ANDERSWO. Gedichte. Verlag X-Time 2007
Franz Hohler
Franz Hohler, geboren 1943 in Biel, lebt heute in Zürich. Er ist einer der bekanntesten Schriftsteller der Schweiz. Sein Werk umfasst Kinderbücher, Romane, Erzählungen und Texte über seine Wanderungen. Seit vielen Jahren ist er auch ein passionierter Bergsteiger.
«Die Berge sind nicht tot. Sie leben.» So endet der Band IMMER HÖHER, eine Sammlung von Texten über Franz Hohlers Wanderungen und Bergtouren, die ihn auf Viertausender und auf einen Fünftausender geführt haben. Es sind hautnah erlebbare, genaue und poetische Erzählungen, die sich so lesen, als wandere und klettere man zusammen mit Franz Hohler. Diese Wanderungen wurden ausserdem von den Alphornisten Ulrich Haider und Michael Büttler vertont.
Der Schriftsteller Urs Widmer betont Hohlers Bezug zur Wirklichkeit – und seinen Humor. Sein grösstes Talent sei es nämlich, «der Bestie Wirklichkeit in die Augen zu schauen (...) und dabei heiter zu bleiben». Franz Hohler kennen wir als einen zutiefst menschenfreundlichen Poeten mit Texten, die die Welt verwandeln. Aus scheinbar zufälligen Wahrnehmungen entsteht Sinn, der uns in den Alltag hinein folgt. Dabei bleibt Franz Hohler der alte Unruhestifter, der uns seit Jahrzehnten mit klugen, aberwitzigen, bewegenden, fröhlichen, traurigen und nachdenklichen Geschichten immer wieder aus dem Gleichgewicht der Stumpfheit und Normalität wirft.
«Geschichten», so Franz Hohler, «gehören zu unseren Grundbedürfnissen wie Essen und Trinken.»
ALT? Gedichte. Luchterhand 2017
IMMER HÖHER – EIN KLANGBUCH. CD mit den Alphornisten Ulrich Haider und Michael Büttler. Zytglogge Verlag 2016
IMMER HÖHER. Erlebnisberichte. AS Verlag 2014
SPAZIERGÄNGE. Erzählungen. Luchterhand 2012
Anja Kampmann
Anja Kampmann wurde 1983 in Hamburg geboren und studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie lebt in Berlin.
Ihr erster Gedichtband PROBEN VON STEIN UND LICHT ist in der renommierten Edition Lyrik Kabinett beim Hanser Verlag erschienen.
«Ich habe nie so viel Schnee gesehen / nicht so viele Landstriche so dick überfroren / kalt und eisstill wie das Land, das sich abkehrt von uns», so beginnt Anja Kampmann die Erkundung einer Landschaft. Viele ihrer Gedichte changieren zwischen Fremdheit und Vertrautheit, zwischen der Wortlosigkeit der Natur und dem poetischen Ausdruck. «Es soll um den Horizont gehen», um den Horizont, der überall die Welt des Einzelnen begrenzt, ihr aber auch einen Rahmen gibt. Mit Anja Kampmann ist eine junge, neue Stimme der Gegenwartslyrik zu entdecken.
«Glas», «Kalk», «Eis», «Salz», «Sand» – so heissen die Abschnitte in Anja Kampmanns PROBEN VON STEIN UND LICHT und die Gedichte darin spiegeln die Eigenschaften jener Materialien wider. Kampmann blickt durch das Fenster der Gegenwart und findet Sedimente vergangener Tage, sie geht dem Meer auf den Grund, vermisst die Tiefenschichten unserer Welt und Zeit – und sie tut all dies mit einer Sprache, deren Klarheit und Leichtigkeit überraschen. Ein Idyll zeichnet die Autorin allerdings nicht, denn allgegenwärtig ist in Kampmanns Debüt das Menschengemachte in der Natur, auch und besonders in seiner verstörenden Gestalt.
Ihr erster Roman erscheint im Frühjahr 2018 im Carl Hanser Verlag.
PROBEN VON STEIN UND LICHT. Gedichte. Hanser Verlag 2016
Anna Kim
Geboren 1977 in Südkorea, kam Anna Kim schon als Kleinkind nach Deutschland. Sie studierte in Wien und lebt heute in Berlin und Wien.
Wie oft wird von Literaturkritikern beklagt, dass junge Autoren wenig zu erzählen hätten, ihre Helden gelangweilte, weltfremde, zynische Halbintellektuelle seien, die vom wahren Leben nichts wüssten und dem Leser daher nichts zu sagen hätten. Anna Kim beweist in ihren Büchern, dass dies so nicht stimmt. Sie beschäftigt sich mit aktuellen Themen, verbindet sie mit Geschichte und dem Schicksal der Protagonisten – immer genau recherchiert und spannend erzählt.
In ihrem neuesten Roman DIE GROSSE HEIMKEHR sucht eine junge Frau in Seoul ihre familiären Wurzeln. In einer Rückblende erleben wir drei Menschen auf der Flucht vor den Häschern des kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Regimes in Südkorea. Obwohl ihre illegale und gefährliche Überfahrt und Flucht nach Japan gelingt, werden sie bald von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Dieser zugleich politische und historische Roman ist auch eine spannende Spionagegeschichte und handelt von Freundschaft, Loyalität und Verrat, vom unmöglichen Leben in einer Diktatur. Das Buch erzählt von den Folgen der Teilung der koreanischen Halbinsel und den Anfängen des heutigen Nordkoreas, als die Gewaltherrschaft Kim Il Sungs noch in den Kinderschuhen steckte. Und es stellt sich der Frage: Wem gehört Geschichte? Den Siegern, die Archive verschliessen und Dokumente schwärzen? Oder dem Einzelnen, der seine Erfahrungen von Verlust und Verlorenheit an andere weitergibt, Verlierer wie er selbst?
DIE GROSSE HEIMKEHR. Roman. Suhrkamp 2017
DER SICHTBARE FEIND. DIE GEWALT DES ÖFFENTLICHEN UND DAS RECHT AUF PRIVATHEIT. Essay. Residenz Verlag 2015
ANATOMIE EINER NACHT. Roman. Suhrkamp 2012
Chris Kraus
Chris Kraus, geboren 1963 in Göttingen, ist Filmregisseur, Drehbuchautor und Romancier. Seine Filme (darunter «Scherbentanz» und «Poll») wurden vielfach ausgezeichnet.
In seinem neusten Roman DAS KALTE BLUT erzählt er die Geschichte zweier deutschbaltischer Brüder, Hub und Koja Solm aus Riga, die Karriere machen: erst in Nazideutschland, dann als Spione der jungen Bundesrepublik. Die dritte Figur im Roman ist ihre Adoptivschwester Ev. Sie ist mal des einen, mal des anderen Geliebte. In der leidenschaftlichen Ménage à trois tun sich moralische Abgründe auf, die zu abenteuerlichen politischen Verwicklungen führen. Die Geschichte der Solms ist auch die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, des Untergangs einer alten Welt und der Erstehung eines unheimlichen Phönix aus der Asche.
Die Brüder sind einander in aufrichtiger Bruderliebe zugetan: strahlend-extrovertiert der Ältere, empfindsam der Jüngere. Koja möchte wie sein Vater als Künstler leben, doch politische Umbrüche und finanzielle Sorgen machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Und so lässt er sich in den dreissiger Jahren von seinem grossen Bruder Hub in die NS-Bewegung in Lettland und später in Berlin hineinziehen.
Beiden Brüdern gemeinsam ist die leidenschaftliche Liebe für ihre Adoptivschwester Ev. Als sich herausstellt, dass Ev jüdische Wurzeln hat, kann Koja, der inzwischen Obersturmführer der SS ist, sie vor der Vernichtung bewahren.
Nach dem Krieg und seiner Rückkehr aus sowjetischer Gefangenschaft muss sich Koja neu erfinden und verstrickt sich als Doppelagent immer mehr in Verrat und Lüge. Ein grossartiger Roman über die Abgründe des 20. Jahrhunderts.
DAS KALTE BLUT. Roman. Diogenes Verlag 2017
DIE BLUMEN VON GESTERN. Ein Filmbuch. Diogenes Verlag 2016
Sibylle Lewitscharoff
Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart als Tochter eines bulgarischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, studierte Religionswissenschaft in Berlin, wo sie, nach längeren Aufenthalten in Buenos Aires und Paris, heute wieder lebt.
Leichtfüssig und wortgewaltig spaziert die Büchner-Preisträgerin in ihrem neuen Roman DAS PFINGSTWUNDER mit uns durch Hölle und Himmel. Die Hauptrollen in diesem Roman spielen die grösste Komödie der Weltliteratur, das Seelenheil von 34 Dante-Gelehrten und ein anrührender Erzähler, so sehr um Bodenhaftung bemüht, dass ihm ein Wort wie «Wunder» nicht leicht über die Lippen kommt. Weil Sibylle Lewitscharoff mit nicht enden wollender Liebe und Leidenschaft die ganze Landschaft der «Commedia» vor uns ausbreitet, folgt man ihr mit grossem Vergnügen.
Sie unternimmt hier den kühnen Versuch, eine Poetologie der Verzückung in Romanform zu entwerfen, die selber gleichsam zur Tat schreitet: Der Leser seinerseits soll erschüttert, erfüllt und erhoben werden, während ihm das Phänomen der poetischen Levitation und Ergriffenheit dargestellt wird. Vor seinen Augen entfaltet sich die Kunst des genauen Lesens und der peniblen Exegese zu einem wilden Ritt durch die Gedankenwelt des Abendlandes, zu einem Abenteuer durch die unendlichen Verwandlungen, die ein Kunstwerk der Sprache in den Jahrhunderten erfährt. Dabei gelingt Sibylle Lewitscharoff der grossartige Spagat zwischen hohem und populärem Ton, Anspruch und Kurzweil.
«Sibylle Lewitscharoffs DAS PFINGSTWUNDER ist ein Knall, der die realismusgeplagte Gegenwartsliteratur erschüttert.» (Der Spiegel, Björn Hayer)
DAS PFINGSTWUNDER. Roman. Suhrkamp 2016
VOM GUTEN, WAHREN UND SCHÖNEN. Frankfurter und Zürcher Poetikvorlesungen. Suhrkamp 2012
KILLMOUSKY. Roman. Suhrkamp 2014
Jonas Lüscher
Der 1976 in der Schweiz geborene Jonas Lüscher lebt in München. Nach einer Ausbildung als Primarlehrer in Bern und einigen Jahren in der deutschen Filmindustrie studierte er an der Hochschule für Philosophie in München. 2011 wechselte Jonas Lüscher an die ETH Zürich. Dort schrieb er bei Michael Hampe an einer Dissertation. 2014 verliess Lüscher die ETH und arbeitet seither als freier Autor.
In seinem ersten, 2017 erschienenen Roman KRAFT ist der Protagonist Richard Kraft, Rhetorikprofessor in Tübingen, unglücklich verheiratet und finanziell fast am Ende, doch er hat womöglich einen Ausweg aus seiner Misere gefunden: Sein alter Weggefährte István, Professor an der Stanford University, lädt ihn zur Teilnahme an einer wissenschaftlichen Preisfrage ins Silicon Valley ein. In Anlehnung an Leibniz’ Antwort auf die Theodizeefrage soll Kraft in einem 18-minütigen Vortrag begründen, weshalb alles, was ist, gut ist und wir es dennoch verbessern können. Für die beste Antwort ist eine Million Dollar gesetzt worden. Damit könnte Kraft sich von seiner anspruchsvollen Frau endlich freikaufen...
Komisch, furios und böse erzählt Jonas Lüscher in diesem klugen Roman von einem Mann, der vor den Trümmern seines Lebens steht, und einer zu jedem Tabubruch bereiten Machtelite, die scheinbar nichts und niemand aufhalten kann.
Mit KRAFT hat Jonas Lüscher nach seiner vielgelobten, die Finanzkrise gezielt ins Visier nehmenden Novelle FRÜHLING DER BARBAREN jetzt einen klugen, wissenschaftsskeptischen, gegenwartsnahen Roman vorgelegt, der in der jüngeren deutschsprachigen Literatur seinesgleichen noch sucht.
KRAFT. Roman. Verlag C.H. Beck 2017
FRÜHLING DER BARBAREN. Novelle. Verlag C.H. Beck 2013
Nikola Madzirov
Nikola Madzirov wurde 1973 in Strumica (Mazedonien) geboren. Nach Abschluss seines Studiums in Skopje gelang ihm 1999 mit seinem ersten Gedichtband ZAKLUČ ENI VO GRADOT (dt. EINGESCHLOSSEN IN DER STADT) ein fulminanter literarischer Auftritt, der ihm einige Preise und grosse Anerkennung einbrachte.
War der Dichter zuvor schon als «Leuchtturm der zeitgenössischen mazedonischen Literatur» wahrgenommen worden, bezeichneten ihn Kritiker nun sogar als eine der kraftvollsten Stimmen Europas. Madzirovs Lyrik besticht dabei durch ihre Leichtigkeit. Sie spielt mit alltäglichen Objekten und dekonstruiert deren gängige Bedeutungen und die damit verbundenen Assoziationen, um so unsere gewöhnlichen Denkschemata infrage zu stellen und neue Sinnwelten zu erschliessen. «In seinen Versen entfaltet sich eine melancholische Topografie temporärer, instabiler Identitäten, deren Erinnerungen, Orte und Nicht-Orte sich nie zu einer einzigen Geschichte fügen», so die deutsche Autorin Uljana Wolf über Madzirov. Seine Werke sind in vierzig Sprachen übersetzt worden.
Auf seinen Gedichten basierend wurden zwei Kurzfilme in Zagreb und Sofia gedreht. 2008 legte der amerikanische Jazzkomponist Oliver Lake, der auch mit Björk und Lou Reed zusammenarbeitete, einer seiner Kompositionen Gedichte von Madzirov zugrunde. Madzirov arbeitete für das mazedonische Internet-Magazin «Blesok», ist Koordinator des internationalen Netzwerks «Lyrikline» und auch als Essayist und Übersetzer tätig.
VERSETZTER STEIN. Gedichte. Aus dem Mazedonischen von Alexander Sitzmann. Hanser Verlag 2011
Urs Mannhart
Urs Mannhart hat seinen grossen und eindrücklichen Europa-Roman BERGSTEIGEN IM FLACHLAND und seine Reportagen in den letzten Jahren dem Leukerbadner Publikum bereits vorgestellt. Die Publikation wurde 2014 von der Pro Helvetia als eines von «12 Swiss Books» zur Übersetzung empfohlen. Ein unhaltbarer Plagiatsvorwurf hat zu einem zeitweiligen Verkausstopp des Buches geführt. Wie Roman Bucheli in der NZZ attestiert: «Eine bestürzend genaue Signatur unserer Zeit». Urs Mannhart stellt in seinem Roman die Frage nach Recht und Gerechtigkeit in Europa und konfrontiert uns mit der zersplitterten, widersprüchlichen Identität unseres Kontinents – ohne die Menschen aus dem Blick zu verlieren. Er verbindet mit genauer Sprache Geschichten voller Leben, aufgeladen durch die politischen und sozialen Spannungen. Urs Mannhart ist einer der interessantesten Autoren seiner Generation in der Schweiz.
BERGSTEIGEN IM FLACHLAND. Roman. secessions Verlag Berlin 2014
DIE ANOMALIE DES GEOMAGNETISCHEN FELDES SÜDÖSTLICH VON DOMODOSSOLA. Roman. Bilgerverlag 2006
LUCHS. Roman. Bilgerverlag 2004
Monika Maron
Monika Maron wurde 1941 in Berlin geboren und wuchs im Ostteil der Stadt auf. Nach dem Abitur arbeitete sie ein Jahr als Fräserin in einem Industriebetrieb. Nachdem sie zwei Jahre lang als Regieassistentin beim DDR-Fernsehen gearbeitet hatte, studierte sie Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und war als Journalistin tätig. 1988 verliess sie die DDR und siedelte nach Hamburg über, um 1993 nach Berlin zurückzukehren, wo sie bis heute lebt und arbeitet.
Mit ihrem Debütroman FLUGASCHE (1981), der in der DDR nicht erscheinen durfte, wurde ihr in der Bundesrepublik grosse Aufmerksamkeit zuteil. Sie machte damals als eine der Ersten die Umweltverschmutzung zum Leitthema eines belletristischen Werks und prangerte die Umweltsünden der DDR im Braunkohletagebau an. Zugleich verarbeitete sie in diesem Buch ihre Erfahrungen im Journalismus.
Durch die Arbeit an einem Roman beginnt Monika Maron sich näher mit den Krähen zu beschäftigen. Die anfängliche Neugier wird bald zu Faszination. Auf Spaziergängen durch ihr Quartier begegnet sie den Tieren, sie lockt sie an, denkt über sie nach und folgt ihren Spuren durch die Literatur. Was als Romanrecherche beginnt, wird zu einer selbständigen Betrachtung. In der melancholischen Erzählung KRÄHENGEKRÄCHZ schildert Monika Maron ihre Beobachtungen und Gedanken, die nicht zuletzt auf der Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier beruhen. Der selbstreflexive Text betrachtet über den Umweg durch das Tier den Zusammenhang zwischen der animalischen Natur des Menschen, der Liebe, dem Alter und der Sterblichkeit.
KRÄHENGEKRÄCHZ. Erzählung. S. Fischer Verlag 2016
ZWISCHENSPIEL. Roman. S. Fischer Verlag 2013
ACH GLÜCK. Roman. S. Fischer Verlag 2007
Robert Menasse
Robert Menasse wurde 1954 in Wien geboren und studierte Germanistik, Philosophie sowie Politikwissenschaften in Wien, Salzburg und Messina.
Menasse lehrte anschliessend sechs Jahre – zunächst als Lektor für österreichische Literatur, dann als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie an der Universität São Paulo.
Nach dem viel beachteten Essay DER EUROPÄISCHE LANDBOTE (2012) erschien 2014 ein Band mit 13 Reden, gehalten zwischen 2011 und 2014, in denen er massiv Propaganda für seine Vision betreibt. Mit HEIMAT IST DIE SCHÖNSTE UTOPIE. REDEN (WIR) ÜBER EUROPA stellt Menasse einmal mehr seine Intelligenz und seine rhetorische Brillanz unter Beweis. Anders als bei so manchem Politiker-Vortrag hat man bei Menasses Reden immer das Gefühl, dass er weiss, wovon er spricht. Hinter den Sätzen verbirgt sich geistige Substanz, und zwar nicht wenig. Es gibt eine Idee, eine Vision und gut verständliche, logisch gebaute Argumente dafür und sogar noch ganz konkrete Vorschläge, die helfen könnten, sich dieser Vision anzunähern.
Menasse liefert Anstösse zur Weiterentwicklung des europäischen Projekts. Der Österreicher tritt damit als literarischer Utopist in die Fussstapfen von Jürgen Habermas und Hans Magnus Enzensberger.
«Er ist ein Aufklärer von altem Schlag, er nimmt keinerlei Rücksichten, erst recht nicht auf die Aufgeklärten.», wie es in der Begründung der Jury des Heinrich-Mann-Preises 2013 heisst.
Nach dem Roman DON JUAN DE LA MANCHA ODER DIE ERZIEHUNG DER LUST 2007 erscheint jetzt nach zehn Jahren sein grosser Europa-Roman DIE HAUPTSTADT.
DIE HAUPTSTADT. Roman. Suhrkamp Verlag 2017. Erscheint im September 2017
HEIMAT IST DIE SCHÖNSTE UTOPIE. REDEN (WIR) ÜBER EUROPA. Suhrkamp Verlag 2014
DER EUROPÄISCHE LANDBOTE, DIE WUT DER BÜRGER UND DER FRIEDE EUROPAS ODER WARUM DIE GESCHENKTE DEMOKRATIE EINER ERKÄMPFTEN WEICHEN MUSS. Zsolnay 2012
Lina Meruane
Lina Meruane gilt als eine der profiliertesten weiblichen Stimmen der jüngeren chilenischen Gegenwartsliteratur. Geboren 1970 in Santiago de Chile, lebt sie seit 2000 in New York und unterrichtet dort an der Universität. Sie ist zugleich Gründerin und Direktorin des ebenfalls in New York ansässigen unabhängigen Verlags Brutas Editoras. Sie selbst debütierte 1998 mit dem Erzählband LAS INFANTAS; inzwischen ist ihr OEuvre auf ein vielgestaltiges Werk angewachsen, das Romane ebenso umfasst wie Essays oder Anthologien.
SANGRE EN EL OJO, ihr dritter Roman, der auch ins Englische übersetzt wurde, beginnt mit einem medizinischen Notfall: Eine junge Frau erleidet auf einer Party einen Blutsturz im Auge. Fortan ist sie überzeugt, dass sie erblinden wird. Mit dem drohenden Verlust der Sehfähigkeit geht ihr dringlicher Wunsch einher, sich neu zu verorten. Das Sehen wird in diesem Roman zu einer Metapher für das Sein – aber auch für die Sprache und damit zugleich für das Schreiben als Akt der möglichen Transformation. Die Frage «Wer bin ich?» stellt sich der Protagonistin nämlich nicht allein körperlich, sondern auch kulturell. Identität wird hier am Schnittpunkt untersucht: am Schnittpunkt zwischen Sehen und Nicht-Sehen, sprich: Wissen und Nicht-Wissen, und am Schnittpunkt von Herkunft und Individualität. Der Roman – nicht zuletzt ein Protokoll weiblicher Entrüstung – zeigt sich entsprechend als eine atemlose Kaskade von Kürzestkapiteln, in denen der Ich-Erzählerin, die wortwörtlich ausser sich gerät, manchmal gar die Sätze versagen. Lina Meruanes äusserst kunstvolle Prosa ist messerscharf, ja teils ätzend in ihrer Präzision, zugleich aber auch durchlässig und porös wie die Welt, die sie beschreibt.
SEEING RED. Aus dem Spanischen ins Englische von Megan McDowell. Roman. Deep Vellum Publishing 2016
SANGRE EN EL OJO. Roman. Caballo de Troya 2012
FRUTA PODRIDA. Roman. Fondo de Cultura Economica 2007
PÓSTUMA. Roman. Planeta 2000
CERCADA. Roman. Editorial Cuarto Propio 2000
Quentin Mouron
Quentin Mouron ist ein Schweizer Schriftsteller mit kanadischen Wurzeln. Er wurde 1989 in Lausanne geboren und wuchs in Québec auf. In der Westschweiz und in Frankreich avancierte er mit seinen fünf Romanen schnell zum Stern am Himmel der jungen Literaten.
In seinem jüngsten Roman NOTRE-DAME-DE-LA-MERCI, der hervorragend ins Deutsche übersetzt ist, beschreibt Mouron die harte, gefühlsarme Welt eines jugendlichen Trios im gleichnamigen kanadischen Provinzdorf. Wie der Autor seine Figuren, denen wir nur einen eisigen Wintertag lang folgen dürfen, tiefenscharf und doch geschmeidig skizziert, eine reflektierende Aussenperspektive einflicht und in der Kunst der Verschwiegenheit glänzt, ist meisterhaft. Die jungen Menschen müssen ihren Platz finden in einer kalten, von roher Gewalt und Hoffnungslosigkeit geprägten Umgebung. Mit dem Suizid von Jeans Vater beginnt der Reigen einer Suche nach Glück in einer Welt, die vor Ungerechtigkeit schreit. Jede noch so liebevoll gemeinte Bewegung endet in Gewalt.
Quentin Mourons Sprache ist hart, kantig und weit entfernt davon, gefallen zu wollen. Sie macht süchtig. Sie schafft es, im Angesicht von Aggression, verratener Liebe und sozialer Depression das magere Pflänzchen Zärtlichkeit am Leben zu erhalten. Das ist wenig. Das ist viel. Das ist grosses Kino auf knapp hundert Seiten.
«Quentin Mourons Roman ist ein bravouröses literarisches Kabinettstück und ein harter Brocken obendrein.» (Roman Bucheli, NZZ)
NOTRE-DAME-DELA-MERCI. Roman. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. bilgerverlag 2016
L'ÂGE DE L'HÉROÏNE. Roman. Editions de la Grande Ourse 2016
TROIS GOUTTES DE SANG ET UN NUAGE DE COKE. Roman. Editions de la Grande Ourse 2015
HOLGER FOCK, 1958 in Ludwigsburg geboren, und SABINE MÜLLER, 1959 in Lauffen am Neckar geboren, arbeiten als Übersetzer für Belletristik und Wissenschaft aus dem Französischen ins Deutsche. Sie übersetzten u.a. Elie Wiesel, Cécile Wajsbrot, Erik Orsenna, Antoine Volodine, Jean Rolin und Patrick Deville. Für ihre Arbeit wurde das Übersetzerpaar 2011 mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Sharon Dodua Otoo
1972 in London geboren, wuchs Sharon Dodua Otoo in einem Stadtviertel auf, in dem sie mit ihren Eltern und Geschwistern als einzige schwarze Familie unter Weissen lebte. Für diese frühe Erfahrung von Fremdheit fand sie lange Zeit keinen Ausdruck, wie sie sagt. Ihre Eltern konnten nicht helfen, denn sie waren erwachsen, als sie aus Accra (Ghana) nach England übersiedelten.
In London lebte und studierte sie, bis sie im Alter von 34 Jahren nach Berlin zog und jetzt zum ersten Mal einen Text in deutscher Sprache verfasste. Mit diesem Text gewann sie 2016 den Ingeborg-Bachmann-Preis – eine Sensation. Der preisgekrönte Text HERR GRÖTTRUP SETZT SICH HIN ist nicht nur die gekonnte Beschreibung deutscher Pünktlichkeit am Beispiel eines auf die Sekunde gekochten Frühstückseis, sondern auch eine psychologisch gewitzte, fein gesetzte Persiflage auf die etablierte Ehe, in diesem Fall die des Ingenieurs und Raketenforschers Helmut Gröttrup. Sharon Dodua Otoos Beobachtungen sind raffiniert vieldeutig und witzig. Sie, die Mutter von vier Söhnen, ist eine politisch aktive Frau, die auch in Deutschland gegen den Rassismus eintritt und für das Selbstbewusstsein von Farbigen kämpft.
In der 2012 erschienenen Novelle mit dem deutschen Titel DIE DINGE, DIE ICH DENKE, WÄHREND ICH HÖFLICH LÄCHLE... erzählt Sharon Dodua Otoo das ganz normale Scheitern einer Ehe zwischen einer Afrikanerin und einem deutschen Mann und ihre Probleme mit den heranwachsenden Kindern. Vor allem aber beschreibt der Text das Gefühl des Fremdseins, die Erfahrung, aus einer anderen Kultur zu kommen, eine andere Sprache, andere Gewohnheiten und Rituale mitzubringen.
SYNCHRONICITY. Roman. Aus dem Englischen von Mirjam Nuenning. edition assemblage 2014
DIE DINGE, DIE ICH DENKE, WÄHREND ICH HÖFLICH LÄCHLE... Novelle. Aus dem Englischen von Mirjam Nuenning. edition assemblage 2013
Tim Parks
Tim Parks wurde in Manchester geboren, wuchs in London auf und studierte an den Universitäten Cambridge und Harvard. Seit 1981 lebt er in Italien. Seine Romane, Sachbücher und Essays sind hoch gelobt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Tim Parks unterrichtet Literarisches Übersetzen an der Universität Mailand und schreibt sowohl für «The New Yorker» als auch die «New Review of Books». Seine Übersetzungen umfassen die Werke von Moravia, Calvino, Calasso, Tabucchi und Machiavelli.
THOMAS UND MARY, sein neustes, im Frühjahr erschienenes Buch, ist eine umgekehrte Liebesgeschichte. 30 Jahre sind Thomas und Mary verheiratet. Sie haben zwei Kinder, einen Hund, ein Haus im Grünen. Aber nach Jahren des Auseinanderlebens kommt es – endlich – zu einer Entscheidung. Tim Parks erzählt, was passiert, wenn sich die Zuwendung und Hingabe, die ein Paar am Anfang füreinander hatte, verwandelt: in lange Spaziergänge mit dem Hund, in die Vermeidung, zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen, in Konflikte, wer die Kühlschranktür offen gelassen oder den Tisch nicht abgeräumt hat. Zwischen Komödie und Tragödie pendelt dieser wunderbar leichte Roman, eine leidenschaftlich intime Chronik einer Ehe, wie sie vielen Leserinnen und Lesern bekannt sein dürfte. Auf berührende Weise schildert Tim Parks die Ausläufer des schmerzlichen Verlusts, der durch die ganze Familie geht, wenn das Paar im Grunde seiner Herzen beschlossen hat, dass es vorbei ist.
THOMAS UND MARY. Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Verlag Antje Kunstmann 2017
WORÜBER WIR SPRECHEN, WENN WIR ÜBER BÜCHER SPRECHEN. Aus dem Englischen von Ulrike Becker und Ruth Keen. Verlag Antje Kunstmann 2016
DER EHRGEIZIGE MR. DUCKWORTH. Roman. Aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff. Verlag Antje Kunstmann 2015
Marie-Jeanne Urech
Marie-Jeanne Urech wurde 1976 in Lausanne geboren. Sie studierte Soziologie und Anthropologie in Lausanne und schloss 2001 die London Film School ab. Nach der Produktion von drei Dokumentarfilmen wandte sich Marie-Jeanne Urech dem Schreiben von Erzählungen und Romanen zu. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin in Lausanne. In all ihren Werken macht Marie-Jeanne Urech vor allem durch ihren entspannten, humorvollen und gleichzeitig tiefgründigen Umgang mit ernsten Themen auf sich aufmerksam.
Ihr neustes, 2017 auf Deutsch erschienenes Buch SCHNITZ – eine komisch-poetische Erzählung – ist die phantastische, ja surreale Geschichte einer Familie, die mehr schlecht als recht über die Runden kommt. Jeder im Haushalt versucht mit seinen eigenen, oft abstrusen Mitteln der immer bedrohlicher und teurer werdenden Welt Paroli zu bieten. Die Geschichte fusst auf Erlebnissen der amerikanischen Subprime-Krise in der Stadt Cleveland, die Marie-Jeanne Urech vor allem visuell erlebte: Werkschliessungen, leere Strassen und Häuser, Plünderungen. Um der drohenden Kündigung durch einen übermächtigen Kommissionär zu entgehen, haben die Mitglieder der Familie Kummer unterschiedliche, abenteuerliche Strategien. Der Roman ist mit phantastischen, märchenhaften Figuren wie etwa der schnitzvertilgenden Ariensängerin bevölkert, die ganz neue Farben und Facetten in die trostlosen Bekümmernisse des harten Alltags zaubern.
SCHNITZ. Roman. Aus dem Französischen von Liz Künzli. bilgerverlag 2017
MALAX. Roman. Hélice Hélas Editeur 2016
REQUISITEN FÜR DAS PARADIES. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. bilgerverlag 2013
Anna Weidenholzer
Anna Weidenholzer, geboren 1984, hat Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien und Wrocław (Polen) studiert. Sie lebt als Autorin, Journalistin und Texterin in Wien. Bereits mit ihrem ersten Erzählband DER PLATZ DES HUNDES hat sie zu Recht viel Aufmerksamkeit bekommen. Sie zieht die Lesenden in einen ganz eigenen Bann. Es gelingen ihr atmosphärisch dichte Beschreibungen in einer wunderschönen, sorgfältig gewählten Sprache.
Mit WESHALB DIE HERREN SEESTERNE TRAGEN, ihrem dritten Buch, hat Anna Weidenholzer nun eine feinsinnige Parabel über das schleichende Unglück geschrieben, das im Leben so vieler Menschen vorkommt, ohne dass es wirklich greifbar wäre und ohne dass man zu sagen vermöchte, wann es angefangen hat.
Karl, ein pensionierter Lehrer, macht sich eines Tages auf, herauszufinden, was das Glück sei. Mit einem Fragebogen im Gepäck, mit dessen Hilfe das «Bruttonationalglück» ermittelt wird, lässt sich der selbst ernannte Forscher in einem schneelosen Skiort nieder, dessen Bewohner er nun nach ihrer Lebenszufriedenheit befragen will. Von hier aus beginnt Karl seine Forschungen, unterbrochen von konfliktgeladenen Telefongesprächen mit seiner Frau. Bald erhält seine Reise Züge einer Flucht und der Fragende wird unmerklich zum Objekt der Befragung anderer.
WESHALB DIE HERREN SEESTERNE TRAGEN ist ein stiller Roman, ein sachter Hinweis auf Freundschaft und Einsamkeit. Weidenholzer kommt ganz ohne Spott aus; wie eine kunstfertige Regisseurin spielt sie mit der Chronologie, nimmt vorweg, präsentiert die Lösung und viel später erst die Frage.
WESHALB DIE HERREN SEESTERNE TRAGEN. Roman. Matthes und Seitz 2016
DER WINTER TUT DEN FISCHEN GUT. Roman. dtv 2015
DER PLATZ DES HUNDES. Erzählungen. Mitter Verlag 2010
Levin Westermann
Der 1980 geborene Levin Westermann studierte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel.
Von der Literaturszene bis dahin unbemerkt, erklomm er 2010 völlig unvermittelt die vibrierende und noch immer viel zu wenig beachtete Lyrikbühne der Gegenwart.
Levin Westermann lebt heute in Biel. Sein erster Gedichtband UNBEKANNT VERZOGEN erschien 2012 in Berlin und in diesem Frühjahr folgte sein zweiter Gedichtband 3511 ZWETAJEWA.
In 3511 ZWETAJEWA rast Achilles mit Tempo 130 ohne Rücklicht und Rücksicht durch die Nacht. Der Krieg um Troja tobt noch immer. Während der attische Held, aus Zeitmangel ungeduscht und blutverschmiert, zwanzig Minuten nach Ende der Schlacht eine Pressekonferenz gibt und Simone Weil zitiert, schreibt Westermann mit rauchender Feder eine Kantate aus infinitesimal klein scheinenden Intervallen der Reflexion. Waren wir eben noch mit Tschechow unterwegs, dürfen wir nun mit dem Dichter unter dem Wahrzeichen jenes Asteroiden, des werdenden Planeten mit dem Namen 3511 Zwetajewa, durch das Leben seiner Namensgeberin gehen. Briefe, Bilder, Beziehungen bringt Westermann dabei auf den Vers: «Sie glaubte an das Gute im Menschen, daran, / dass dem, der Gutes tut, auch Gutes widerfährt.» Am Ende wird ein ganzer Kosmos zu versenken sein.
Er schreibt Gedichte, «in denen sich ein Ich auf das eigene Verschwinden vorzubereiten scheint». (Michael Braun)
3511 ZWETAJEWA. Gedichte. Matthes und Seitz 2017
UNBEKANNT VERZOGEN. Gedichte. luxbooks 2012
John Wray
Der 1971 in Washington, D.C. als Sohn eines amerikanischen Vaters und einer österreichischen Mutter geborene John Wray studierte in den USA und in Wien und lebt heute als freier Schriftsteller in Brooklyn.
Sein vierter Roman DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN ZEIT erzählt die Geschichte eines Clans durchgeknallter Hobbyphysiker, die Albert Einstein Konkurrenz machen wollen. Ein komplexes, anspielungsreiches Werk voll skurriler Einfälle, das ergreifend und stilistisch ausserordentlich fein geschrieben ist.
John Wray hält ironischen Abstand zu seinen Figuren, liebt die Überzeichnung, entführt in surreale Welten. Schon seine früheren Bücher mochten den Eindruck erwecken, sie stammten von einem europäischen Autor – und dies nicht nur der Thematik, der Schauplätze wegen. Denn wo viele amerikanische Autoren die Verknappung suchen, liebt Wray das Ausschweifende, die temperamentvolle Sprache. Er erzählt von einer seltsamen Familie, die sich über Generationen hinweg mit der Zeitforschung beschäftigt, und lässt so eine andere, eine «surreale Welt» entstehen.
John Wray ist ein Meister des «popkulturellen Zeitreise-Romans». In DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN ZEIT stecken nicht nur sieben Jahre Arbeit, sondern auch zahlreiche Anspielungen auf Augustinus, Plotin, Proust, Manns «Buddenbrooks», die Relativitätstheorie oder Scientology, Wittgenstein, Heisenberg, Klimt oder Joan Didion. Grossartig, wie der Autor mit Witz und Tempo, mit grotesken Momenten, kuriosen Figuren und wunderbaren Einfällen spielt und dabei doch den Überblick behält.
DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN ZEIT. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Rowohlt Verlag 2016
RETTER DER WELT. Roman. Aus dem Englischen von Peter Knecht. Rowohlt Verlag 2010
DIE RECHTE HAND DES SCHLAFES. Roman. Aus dem Englischen von Peter Knecht. Berlin Verlag 2002
Jeffrey Yang
Jeffrey Yang, geboren 1974 in Kalifornien, ist Dichter, Übersetzer aus dem Chinesischen und Lektor in zwei Verlagen. Für EIN AQUARIUM, seinen ersten Gedichtband, wurde er mit dem PEN/Joyce Osterweil Award for Poetry ausgezeichnet. Yang lebt in Beacon, New York.
Yangs Dichtung ist einerseits dem Sichtbaren, den Fakten und den Dingen verschrieben und kann doch andererseits auch höchst reflexiv genannt werden.
In EIN AQUARIUM betrachtet Yang die Welt vom Meer aus: Der Band versammelt alphabetisch geordnete maritime Gedichte, die, gespickt mit enzyklopädischem Wissen, von Delfinen und Flundern, von Hummern und Venusmuscheln, von Seetang und Tintenfischen handeln, von dort aus aber auch zu Aspekten von Religion und Philosophie, Kultur und Wissenschaft hin ausstrahlen.
In YENNECOTT – so hiess in der Sprache der amerikanischen Ureinwohner die Halbinsel Long Island – taucht Jeffrey Yang dann ein in die Tiefe der Jahre und Jahrhunderte, diesmal in Form eines Langgedichts, das sich einreiht in eine lange US-amerikanische Tradition. Hier gilt Yangs grundlegendes Interesse als Dichter der Schnittstelle von Geographie und Geschichte. Der ewigen Wiederkehr geschichtlicher Eroberungen trotzt er eine lyrische Note ab, indem er mithilfe seiner Dichtung fragt: Auf welchen Wegen wandert Wissen und wohin? Wie verändert sich die Lesart von Geschichte unter dem Blickwinkel des kulturellen Austauschs? Man darf gespannt sein auf alles Zukünftige aus der Feder des poeta doctus Jeffrey Yang.
YENNECOTT. Gedicht. Aus dem Englischen von Beatrice Fassbender. Berenberg Verlag 2015
EIN AQUARIUM. Gedichte. Aus dem Englischen von Beatrice Fassbender. Berenberg Verlag 2012
Liao Yiwu
Liao Yiwu wurde 1958 in der Provinz Sichuan, Westchina, geboren. In den achtziger Jahren avancierte er zu einem der bedeutendsten Avantgarde-Dichter Chinas. Eine Vielzahl seiner Texte veröffentlichte er in inoffiziellen Underground-Anthologien. Mit wachsender Bekanntheit konnte Liao Yiwu immer öfter auch in offiziellen Literaturzeitschriften publizieren. 1987 wurde er nach Erscheinen seines umfangreichen Epos SI CHENG («Stadt des Todes»), das Kritik an der Kulturrevolution äussert, Opfer einer politischen Kampagne. Als Liao Yiwu schliesslich Gedichte verfasste, in denen er die Niederschlagung der demokratischen Bewegung in der Folge des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens schilderte, wurde er mehrere Jahre inhaftiert und schwer misshandelt. Im Sommer 2011 gelang ihm die Flucht über Vietnam nach Deutschland. Er lebt seither in Berlin im Exil. Seit Oktober 2012 ist Liao Yiwu Gründungsmitglied der Akademie der Künste der Welt in Köln.
Der Autor ist mit verschiedenen Literatur- und Menschenrechtspreisen ausgezeichnet worden, unter anderem auch mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2012.
In seinem ersten Roman DIE WIEDERGEBURT DER AMEISEN, von Karin Betz in dreijähriger Arbeit ins Deutsche übersetzt, verwebt Liao Yiwu auf poetisch abgründige Weise die Geschichte seiner Familie mit der seines Heimatlandes China, das ihn verstossen hat. Liao Yiwu sass im Gefängnis, in der Falle des totalitären Wahnsinns, und erfuhr Folter und Demütigung, weil er Gedichte schrieb. Allein sein Lieblingsbuch, das wundersame chinesische Orakel «I Ging», half ihm, die Hölle der Gefangenschaft zu überleben. Ein starker, ein tief erschütternder Roman, in dem der grosse Dichter Chinas zu einer neuen, überwältigenden Sprache gefunden hat.
DIE WIEDERGEBURT DER AMEISEN. Roman. Aus dem Chinesischen von Karin Betz. S. Fischer 2016
DIE DONGDONGTÄNZERIN UND DER SICHUAN-KOCH. Geschichten aus der chinesischen Wirklichkeit. Aus dem Chinesischen von Hans Peter Hoffmann. S. Fischer 2013
FRÄULEIN HALLO UND DER BAUERNKAISER. CHINAS GESELLSCHAFT VON UNTEN. Sachbuch. Aus dem Chinesischen von Karin Betz u.a. S. Fischer 2011
KARIN BETZ übersetzt chinesische und englische Literatur, ist Kulturvermittlerin, Herausgeberin, Moderatorin und DJ. Ausserdem schreibt sie Rezensionen und Artikel, vor allem über Literatur aus China und anderswo und ihre Übersetzung, über zeitgenössische Lyrik, Text & Musik und Tango Argentino. Sie lebt in Frankfurt am Main.
Kathy Zarnegin
Kathy Zarnegin wurde 1964 in Teheran geboren und kam mit 15 Jahren in die Schweiz. Sie ist Lyrikerin, Essayistin, Übersetzerin aus dem Persischen, Philosophin und promovierte Literaturwissenschaftlerin. Ausserdem ist sie Psychoanalytikerin, Mitbegründerin des Lacan Seminars Zürich und Mitorganisatorin des Internationalen Lyrikfestivals Basel.
In ihrem ersten Roman CHAYA erzählt Kathy Zarnegin die Geschichte einer Frau aus dem Iran, die es bereits als junges Mädchen mit aller Macht in den Westen zieht, nach Europa. Als Vierzehnjährige realisiert sie ihren Traum, verlässt ihre Familie und bricht alleine auf in die Schweiz, nach Basel, wo sie bei entfernten Verwandten unterkommen kann. Aber bevor sie der elterlichen Obhut entläuft, erfahren wir von der hellwachen Erzählerin dieses wunderbaren Romans noch einiges über die Welt, in der sie aufgewachsen ist.
Da gibt es vor allem eine Nachbarin, die «Tante» Farah. Eine selbstbewusste Frau, die sich für das Leben als Alleinstehende entschieden hat, was im Teheran der Siebzigerjahre nur Probleme mit sich bringt. Farah ist gebildet und sprachbegabt und sie hat, was niemand zu bemerken scheint, einen Freund, den Armenier Georges. «Never say no to love!», flüstert Farah der jungen Erzählerin ins Ohr. Zwar kann die junge Frau den Satz noch nicht richtig würdigen, aber die freiheitsliebende Haltung, die dahintersteckt, entgeht ihr nicht. Kathy Zarnegins warmherziges und witziges Prosadebüt zeichnet das Porträt einer unkonventionellen, starken Frau mit nicht zu bremsendem Freiheitsdrang.
CHAYA. Roman. weissbooks 2017
Serhij Zhadan
Der 1974 in der Ostukraine geborene Serhij Zhadan studierte Germanistik, promovierte über den ukrainischen Futurismus und gehört seit 1991 zu den prägenden Figuren der jungen Szene in der Ukraine. Er debütierte als 17-Jähriger und publizierte zwölf Gedichtbände und sieben Prosawerke. Für DIE ERFINDUNG DES JAZZ IM DONBASS wurde er mit dem Jan-Michalski-Literaturpreis und mit dem Brücke-Berlin-Preis 2014 ausgezeichnet.
«Schlimm ist es zu sehen, wie Geschichte entsteht»: Seit Sommer 2014 notiert Serhij Zhadan, was ihm auf seinen Reisen ins ostukrainische Kriegsgebiet widerfährt. Es sind lyrische Momentaufnahmen, die das Essentielle jäh aufscheinen lassen, Kürzestgeschichten über Menschen, die plötzlich auf zwei verfeindeten Seiten stehen oder nicht mehr wissen, wo sie hingehören und was aus ihnen werden soll. Wenige Strophen vermitteln etwas von der Tragödie Millionen Einzelner. In den lakonischen Versen ist der Einfluss Brechts spürbar, dessen Lyrik Zhadan seit der ukrainischen Revolution übersetzt. Nicht Gefallenenstatistiken zählen, sondern der Wille, dem Anderen zuzuhören und die Erinnerung zu befragen. Dieser Aufgabe verschreibt sich Zhadan mit Leidenschaft und unter Aufbietung ausdrucksstarker literarischer Mittel.
Im Suhrkamp-Verlag sind nun Gedichte, Songtexte und Tagebuchaufzeichnungen erschienen, in denen Zhadan sich mit dem Krieg auseinandersetzt. Er tut es in einer Weise, die dem Einzelnen zu seinem Recht verhilft. Denn jeder hat seine eigene Geschichte und seine eigene Wahrheit, seine konkrete Entwicklung und seine konkrete Biografie.
WARUM ICH NICHT IM NETZ BIN. Gedichte und Prosa aus dem Krieg. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Suhrkamp 2016
MESOPOTAMIEN. Roman. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Suhrkamp 2015
DIE ERFINDUNG DES JAZZ IM DONBASS. Roman. Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr. Suhrkamp 2012
David Van Reybrouck
Der Historiker, Ethnologe, Archäologe und Schriftsteller David Van Reybrouck, 1971 in Brügge geboren, hat 2013 sein Buch KONGO – ein Welterfolg – in Leukerbad präsentiert.
In seinem neuen Buch GEGEN WAHLEN beschreibt er die heutigen Mechanismen der Demokratie, die er mit bestechend klaren Argumenten als «demokratisches Ermüdungssyndrom » bezeichnet.
Wahlen sind ein primitives Instrument mit einer verrückten Logik. Sie führen dazu, dass Politiker Dinge versprechen, die sie nicht halten können. David Van Reybroucks Debattenbuch könnte aktueller nicht sein. Es ist seltsam mit der Demokratie. Jeder ist dafür, aber keiner glaubt mehr so recht daran, dass sie funktioniert – jedenfalls nicht durch Wahlen. Wenn die Ergebnisse anders lauten als gewünscht, steht rasch der Vorwurf des Populismus im Raum. Immer weniger Menschen gehen wählen, die Mitgliederzahlen der politischen Parteien gehen dramatisch zurück. Wie kann eine Demokratie überhaupt effizient arbeiten und langfristig tragfähige Entscheidungen treffen, wenn die Politiker ihr Handeln vor allem danach ausrichten müssen, bei der nächsten Wahl wiedergewählt zu werden?
ZINK. Suhrkamp Verlag 2017
GEGEN WAHLEN: WARUM ABSTIMMEN NICHT DEMOKRATISCH IST. Wallstein Verlag 2016
KONGO: EINE GESCHICHTE. Suhrkamp Verlag 2013
Heiner Goebbels
Der Komponist und Regisseur Heiner Goebbels, geboren 1952, gehört zu den bedeutendsten Exponenten der zeitgenössischen Musik- und Theaterszene. Seine Arbeit demontiert die Konventionen von Opern-, Theater- und Konzertmusik. Er ist Professor am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Giessen und war von 2012 bis 2014 Leiter der Ruhrtriennale.
Oft als politisch charakterisiert, wurden viele seiner bekannten Stücke in enger Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Heiner Müller geschaffen. In seinen Werken stehen Bild, Musik und Text in einem schwebenden, gleichwertigen Verhältnis.
«Zu oft hat es den Anschein, der Text sei den Komponisten nur Anlass für einen ohnehin gefassten kompositorischen Vorsatz, nicht wirklich eine Herausforderung, auch die eigenen Mittel neu für die Arbeit mit dem Text zu hinterfragen. [...] Literarische Texte sind aber nicht nur als Futter für die Stimme der Sänger und Schauspieler von Bedeutung, wichtiger ist mir der Materialcharakter der Texte und der Anspruch, diesen mit musikalischen Mitteln transparent zu machen.»
Heiner Goebbels liest nur am 28. Juni im Literaturhaus Zürich
ÄSTHETIK DER ABWESENHEIT: TEXTE ZUM THEATER. Theater der Zeit, 2012
KOMPOSITION ALS INSZENIERUNG. Wolfgang Sandner (Hrsg.), Verlag der Autoren 2002