Alexandergeschichten – Vietnam und Afghanistan
Fotoausstellung

Von Daniel Schwartz
Kolonnen in der Wüste. Der Terror radikaler als alle bisherigen Heimsuchungen der jüngsten Kriege. Hauptfeind der schwarzen Schwadrone Amerika und diesmal auch Europa. Fluchtweg der Vertriebenen das mare nostrum. Das Meer schlechthin.

«… Pennerei in und unter den Bänken»
(Ernst Jünger, Kriegstagebuch 1914–1918) Bundeswehr-Soldaten der NATO/ISAF unterwegs zum afghanischen Ersteinsatz. Urgentsch, Usbekistan, 25. November 2006.

«Bentonka»
Von den Sowjets in den 1950er Jahren als panzertauglich gebaut, widerstand der nordwestliche Teil der afghanischen Ringstrasse drei Jahrzehnten Krieg besser als das Asphaltband der Amerikaner im Süden. Die ad hoc-Reparatur von Schlaglöchern ist bis in die Gegenwart eine Einnahmequelle für Kinder und Kriegsversehrte. Provinz Farah, 27. März 2001.

Mediterraneus – «zwischen Ländern liegendes» Becken. Völkerbrücke, seit die drei bewohnten Erdteile bekannt sind. Folgenreiche topografische Eigenschaft der Oikumene: ihre Endlichkeit. Schon auf der Scheibe und erst recht auf dem Erdball. Die Möglichkeit der Eroberung der gesamten Welt in einem Zug. Zunächst an die äussersten Ränder Asiens! In der Enge des Hellespont der Lanzenwurf. Gescheiter Trick einer biographisch-politischen Inszenierung. Die Durchmessung der Länder bis Persien noch auf einigermassen bekannten Strassen. Die Selbstauffassung als Vertreter göttlicher Autorität bestätigt durch lokale orientalische Traditionen. Der Verschleiss jedoch nur eine Frage der Zeit und wachsender Distanz zum Vertrauten daheim. Gerade noch Ephebe und dann unterwegs als massenmordende Fackel. Allerdings unter exklusivem Schutz eines Gottvaters. Massenhaft geprägtes Münzbild – der vom manipulierten Orakel in Siwa erkannte ägyptische Zeus/Ammon-Sohn mit Widderhorn im Lockenkranz.

Freigestellt der Nachwelt, hinter dem «Grossen Mann der Geschichte» den Menschen zu suchen, dem tatsächliche und eingebildete genealogische Bande die Bedeutungslosigkeit der eigenen Person verbieten. Der «Held auf Dauer» sein und Fortbestehendes errichten will, dabei rastlos vorgeht und umkommt vor dem Erreichen des mittleren Alters. Leithammel, dessen imaginierte Auserwähltheit zerbricht, als das Heer den Weitermarsch nach Indien verweigert.

Natürliche Falle das dem Indus vorgelagerte Bergland, wo jede einmarschierende Streitkraft sich verrennt. Bedeutungslos die Besetzung alter Orte zur Ausübung der Macht über Täler und Stämme.

A. hängt diesen Orten seinen Namen an: Alexandria-in-Areia, Alexandria-in-Arachosia, Askandria Paro Paizad, Alexandria-Oxiana. Herat, Kandahar, Bagram, Kunduz – Synonyme jüngster Irrtümer und Verfehlungen. Zivile Opfer, gezielte Tötung, geheime Gefangenenlager. Alles Konsequenz verdeckter Operationen gegen den Aufstand, dem die Koalition der Besatzer selbst Legitimation gibt mit ihrer Präsenz. Der blind versprochene Wiederaufbau meist nur zum Schein, Geschäft eilfertiger Andiener und Kriegsverbrecher. Die militärische Erzwingung des Friedens durchaus nicht machbar ohne Waffengang und eigene Tote. Beides unerwünscht und der Fall. Die Ankündigung jedes Erfolgs im Feld begleitet vom Vorbehalt seiner Umkehrung durch den Gegner. Im Kreis der Besatzer sicherlich mehr als ein Parmenion. Taub für dessen Rat allerdings schon A. in seinem Grössenwahn. Nach mehr als einem Jahrzehnt beendet die fehlgeleitete Mission kein Friedensabkommen – das kennt allein ein Krieg mit Regeln.

Kein moderner Staat in Sicht. Zu krass «die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen» – die Koexistenz archaischer Muster und globaler Trends. Ohne Finanzierung von Aussen wahrscheinlicher Kollaps von Nationalarmee und Regierung. Unter der Kontrolle des Gegners mehr Territorium als je zuvor.

Ziemlich vergessen bei uns die Mission. Dann plötzlich diese Flut. Das Gedränge am Drahtzaun in der Heimat von A. Nicht nur Syrer. Auch Afghanen. In Mazedonien aufgetaucht aus dem Nebel unseres Dreissigjährigen Kriegs im Bergland. Jeder will weg, sagt 2012 der Freund in Kabul. Wer bleibt, verliert vor dem Leben seine Zukunft.

Die Lücke im Kliff / The Void in the Cliff
Nische des kleineren Grossen Buddha (zerstört am 8./9. März 2001 während des Taliban-Regimes). Provinz Bamian, 1. Januar 2010.

Erneut stellt sich uns die Frage nach unserer Rolle als Wiederholungstäter im Orient. Nach dem Sinn der Geschichte, in der ein Weiterkommen allein möglich scheint mit Parallelen im Scheitern. Heute in den Tälern. Damals im Reisfeld. In den Ländern Indochinas Resultat eines mitunter geheim geführten Krieges, in Afghanistan eines Krieges, der vielleicht nie endet.


Biografie DANIEL SCHWARTZ


AUSSTELLUNG: WELTENBILDER
Daniel Schwartz wird während des Literaturfestivals Leukerbad Fotografien aus der Reihe «Alexandergeschichten» in der Galerie St. Laurent auf dem Dorfplatz ausstellen.
Galerie St. Laurent,
Zeit: siehe Detailprogramm


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