AUTORINNEN UND AUTOREN
Am 18. Internationalen Literaturfestival
Leukerbad nehmen teil:
Lukas Bärfuss, Schweiz
Clemens Berger, Österreich
John Burnside, England
Arno Camenisch, Schweiz
Amir Hassan Cheheltan, Iran
Kurt Drawert, Deutschland
Oswald Egger, Österreich
Isabelle Flükiger, Schweiz
Jonathan Safran Foer, USA
Nora Gomringer, Schweiz
Helon Habila, Nigeria
Antjie Krog, Südafrika
Michael Krüger, Deutschland
Hartmut Lange, Deutschland
Katja Lange-Müller, Deutschland
Luljeta Lleshanaku, Albanien
Jo Lendle, Deutschland
Gertrud Leutenegger, Schweiz
Jonas Lüscher, Schweiz
Roger Monnerat, Schweiz
Connie Palmen, Niederlande
David Van Reybrouck, Belgien
Salman Rushdie, England/Indien
Joachim Sartorius, Deutschland
Marie-Luise Scherer, Deutschland
Robert Schindel, Österreich
Lukas Bärfuss
Lukas Bärfuss wurde 1971 in Thun geboren und zählt zu den erfolgreichsten Dramatikern der letzten Jahre. Seine Stücke werden weltweit aufgeführt. Heute ist er Dramaturg am Zürcher Schauspielhaus und hat sich einen Namen als kritischer Denker, brillanter Redner und engagierter und unbestechlicher Kommentator der politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten gemacht.
Im Frühjahr 2008 erschien sein erster, minutiös recherchierter Roman HUNDERT TAGE, der von Menschen berichtet, die das Gute beabsichtigen und das Böse bewirken, von den vielfältigen Irrtümern des «guten» Menschen und von den Schwierigkeiten, das Fremde einzuschätzen. HUNDERT TAGE erzählt ein dunkles Kapitel der Geschichte Afrikas, in das wir tiefer verstrickt sind, als wir glauben wollen. Lukas Bärfuss analysiert in seinem Roman die Mechanismen der Entwicklungshilfe und untersucht dabei die Rolle der Schweiz, die sich seit der Unabhängigkeit Ruandas 1962 stark in diesem kleinen ostafrikanischen Bergstaat engagiert.
Lukas Bärfuss wurde 2007 mit dem «Spycher: Literaturpreis Leuk» ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heisst es: «Lukas Bärfuss gehört zu den bedeutendsten und meistgespielten Dramatikern im deutschsprachigen Raum. Oft farcenhaft und burlesk, spielen seine Stücke mit den Trümmern unserer Traditionen und Träume. Er wird mit dem ‹Spycher: Literaturpreis Leuk› ausgezeichnet, weil er in besonders präziser und gekonnter Weise Geschichten und Bilder für die Ausgesetztheit des Einzelnen findet.»
Am Literaturfestival Leukerbad wird Lukas Bärfuss aus teils noch unveröffentlichten Texten lesen.
MALAGA – PARZIVAL – ZWANZIGTAUSEND SEITEN. Stücke. Wallstein Verlag 2012
ÖL. Stück. Wallstein Verlag 2009
HUNDERT TAGE. Roman. Wallstein Verlag 2008.
Clemens Berger
Wer geistreiche Unterhaltung in der Literatur sucht, für schwarzen Humor empfänglich ist und vor allem das Hintergründige mag, was ja meist das Abgründige ist, der kommt bei Clemens Berger auf seine Kosten. In seinen Romanen geht es um die Entwirrung von Gefühlen angesichts einer inflationären Lebenshilfepraxis in einer Gesellschaft, die alle Beziehungen ökonomisiert. Die Trennung zwischen Privatsphäre und Arbeit, zwischen den Geschlechtern – alles gerät bei Berger ins Wanken.
In seinem neuen Roman EIN VERSPRECHEN VON GEGENWART ist der Protagonist ein Kellner in einem gehobenen Restaurant. Und dieser lässt sich nicht so schnell etwas vormachen. Zu oft hat er die kleinen Gesten für die grossen Gefühle seiner Gäste beobachten können: wie die Pärchen sich gegenseitig beeindrucken, wie sie einander umtänzeln, wie sie sich wieder entlieben. Aber dann betreten ein Mann und eine Frau sein Restaurant, für die der Kellner noch keine Worte hat. Und die sein Leben verändern werden.
Sie ist atemberaubend. Aber was heisst das schon? Zehn von neun Männern würden für sie Frau und Besitz aufgeben, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber der, mit dem sie jetzt an einem Tisch sitzt, hat nichts Triumphales an sich. Er ist beneidenswert entspannt in seiner Selbstsicherheit: Ich hatte sie. Ihr nicht. Der Kellner beginnt, die Beziehung der beiden zu «lesen»; er dechiffriert die Bruchstücke ihrer Unterhaltung, die er belauscht, er deutet den Schwung ihrer Gesten. An den nur ein wenig verrutschten Kleidungsstücken erkennt er den Sex, von dem sie gerade kommen. Er wird zum Mitwisser ihrer Affäre – und unversehens zum Beteiligten. Clemens Berger entführt uns in einen Zwischenraum, in die Spanne kurz vor oder kurz nach Mitternacht, in der mehr möglich ist, als man sich je ausgemalt hatte.
EIN VERSPRECHEN VON GEGENWART. Roman.
DAS STREICHELINSTITUT. Roman. Wallstein Verlag 2010
UND HIEB IHM DAS RECHTE OHR AB. Erzählungen.
John Burnside
Autoren, bei denen sich Leser und Literaturkritik einig sind, dass es unmöglich ist zu entscheiden, ob der Autor mehr für seine Prosa oder für seine Lyrik zu loben sei, sind selten.
John Burnside, Jahrgang 1955, ist ein solcher Schriftsteller. Der Schotte war nach einem Englisch-Studium in Cambridge als Softwareentwickler tätig und versuchte sich, wie er selbst sagt, zehn Jahre lang in einem «normalen» Leben – dem grössten Traum seiner zerrütteten Kindheit. Doch die Normalität war nur Fassade, wie er sich schliesslich eingesteht, und er beschliesst zu schreiben. Zunächst macht er sich einen Namen als Lyriker – sein erster Gedichtband THE HOOP erschien 1988 –, bevor er mit dem Schreiben von Romanen begann. Heute ist John Burnside Professor für Kreatives Schreiben an der University of St Andrews in Schottland.
Das teils romantische und doch immer exakte Vokabular seiner Gedichte öffnet einen lichten Erwartungsraum, doch schnell werden Schatten sichtbar, erheben sich Gestalten aus zuvor unbemerkten Abgründen. Bemerkenswert ist auch der Rhythmus und die Musikalität, die der Lyrik John Burnsides innewohnt.
2012 erhielt John Burnside den «Spycher: Literaturpreis Leuk». In der Begründung der Jury heisst es: «John Burnside, Romancier, Lyriker, Essayist und bekennender Schotte, ist ein Dichter des Lichts und der Finsternis. Mit der Wucht seiner Sprache und der fiebrigen Eleganz, mit der er die Urgewalten von Gut und Böse in das hypnotisierende Zwielicht seiner Prosa taucht, zieht er seine Leser in den Bann. Auch wenn Burnsides Romane von Gewalt und den Dämonen unserer Innenwelten handeln, von verlorener Kindheit und zerstörten Träumen, lässt der Autor den Leser nie ohne jene Hoffnung zurück, die grosse Prosa zu spenden vermag.»
IN HELLEN SOMMERNÄCHTEN. Roman.
LÜGEN ÜBER MEINEN VATER. Roman.
VERSUCH ÜBER DAS LICHT. Gedichte.
Arno Camenisch
Glücklich ist, wer eine Stammkneipe hat. Das ist eine soziale Anstalt, die im Verschwinden begriffen ist. Die Kneipe ist eine Theaterbühne, auf der jeder sich inszenieren kann. Danach ist er wieder draussen und muss in der Welt bestehen. Beide sind streng geschieden, die Welt und die Kneipe. Was nicht heisst, dass man die Welt nicht in die Kneipe hineintragen kann. Doch da wiederum unterliegt sie den Gesetzen des Stammgastgeredes, muss sich einordnen in ein in Jahren oder Jahrzehnten erprobtes Gesprächsmuster.
Das erzählt Arno Camenisch in seiner Erzählung USTRINKATA, die auch den Abschluss der Graubündner Trilogie bildet, die er 2009 mit seinem Debütbuch SEZ NER begann und 2010 mit der Prosa HINTER DEM BAHNHOF fortgesetzt hat.
Camenisch erzählt vielstimmig, ungeziert und genau über das Leben in den Bergdörfern der Bündner Alpen – ein erfrischender Gegensatz zur klischierten Schweiz, gefangen in ihrer luxuriösen und geglätteten Schönheit. Eine erfrischende Entschlackung der Tradition.
Hanne Kulessa auf hr2 über Arno Camenisch: «Es ist eine grosse Begabung von Arno Camenisch, Menschen zu beobachten, Ihnen ‹aufs Maul› zu schauen sozusagen, und das dann nicht eins zu eins zu übertragen, sondern Literatur daraus zu machen. (...) Camenisch hat eine sehr musikalische Sprache, sehr rhythmisch, sehr genau, und das ist überhaupt die Voraussetzung für Komik – Komik entsteht nur, wenn die Sprache präzise ist.»
Arno Camenisch zu hören ist ein Erlebnis, denn er hat ein unglaubliches Gespür für den Klang der Sprache und für die präzis platzierten Beiläufigkeiten der Konversation. In Leukerbad wird er erstmals sein neues Buch FRED UND FRANZ vorstellen.
FRED UND FRANZ. Engeler Verlag 2013
LAS FLURS DIL DI. Prosa romanisch. Engeler Verlag 2013
USTRINKATA. Prosa deutsch. Engeler Verlag 2012
HINTER DEM BAHNHOF. Engeler Verlag 2010
SEZ NER. Engeler Verlag 2009
AMIR HASSAN CHEHELTAN
Der 1956 in Teheran geborene Amir Hassan Cheheltan veröffentlichte 1976 seine ersten Erzählungen. Der zweite Erzählband AM STUMMEN FENSTER (1979) brachte den öffentlichen Durchbruch als Schriftsteller. Nach Abschluss seines Studiums zum Elektroingenieur in England und Ableistung des Wehrdienstes während des ersten Golfkriegs 1980 bis 1988 ging der Autor nach Italien.
In seinem Heimatland Iran sind viele von Cheheltans Werken verboten, gleichzeitig wurde er 2007 für einen Staatlichen Buchpreis nominiert, wogegen er sich wehrt. «Ich lebe im Iran im Exil», beschreibt er seine Situation. Nach inzwischen fünf Erzählbänden und sieben Romanen gilt er als einer der wichtigsten Schriftsteller seines Landes und hat sich als Publizist in internationalen Medien einen Namen gemacht. Er lebte in Berlin und Los Angeles, und heute wieder in Teheran.
Im Westen ist Amir Hassan Cheheltan als Interpret und Analytiker der aktuellen politischen Vorgänge in seinem Heimatland Iran gefragt. Über TEHERAN. STADT OHNE HIMMEL schreibt die FAZ: «Wer begreifen will, wie zerrissen Iran innerlich ist, muss dieses Buch lesen.»
Mit seiner Teheran-Trilogie, die TEHERAN. STADT OHNE HIMMEL abschliesst, zeichnet Amir Hassan Cheheltan ein trostloses Bild vom zivilisatorischen Stand seines Heimatlands. Die Bücher wurden von der iranischen Zensur entweder stark gekürzt oder gar nicht zugelassen; TEHERAN REVOLUTIONSSTRASSE hat Cheheltan selbst als aussichtslos eingestuft und der Zensur gar nicht erst vorgelegt.
TEHERAN. Stadt ohne Himmel. Eine Chronologie von Albtraum und Tod. Aus dem Persischen übersetzt und mit einem Nachwort von Kurt Scharf. C. H. Beck Verlag 2012
AMERIKANER TÖTEN IN TEHERAN. Ein Roman über den Hass in sechs Episoden. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf. C. H. Beck Verlag 2011
TEHERAN REVOLUTIONSSTRASSE. Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Peter Kirchheim Verlag 2009
KURT DRAWERT
Kurt Drawert, als Sohn eines Polizeioffiziers in Brandenburg geboren, war wegen seiner Widerspenstigkeit schon als Jugendlicher Repressalien ausgesetzt. So war die Geschichte des Sprechens bei Kurt Drawert mit Traumatisierungen verbunden: Als Kind hatte er unter dem autoritären Charakter seines Vaters, der dem widerborstigen Jungen die Alphabete des real existierenden Sozialismus einprügeln wollte, zu leiden, bis er ins zwanghafte Verstummen zurückfiel. Für sein Sprachversagen wurde der junge Drawert in die Dunkelheit des Kellers gesperrt, da er nicht willens schien, sich in die Sprachregelungen des Staates einzuüben. Dort, in der Finsternis, scheint sich das Misstrauen gegenüber allen fest etablierten Sprachordnungen ausgebildet zu haben, das den Schriftsteller Kurt Drawert geprägt hat bis in die Mikrostruktur seiner Gedichte hinein. Das Zur-Sprache-Kommen, so hat es Drawert in seinen Essays immer wieder beschrieben, ist der Sündenfall. «Die Alphabetisierung ist der Schrecken, denn sie ist mit Gewalt verbunden, mit der gesellschaftlichen Durchsetzung einer Herrschaftssprache.»
In ihrem innersten Kern handeln fast alle seine Gedichte
von dieser Erfahrung der inneren Spaltung, vom Verlust des Sprachvertrauens und dem Ausgesetztsein eines Sprechenden, der seine Identität durch die gewaltsam verfügte Sprachordnung bedroht sieht.
Mit seinem neusten Buch SCHREIBEN. VOM LEBEN DER TEXTE beschreibt Drawert, wie aus Normalsprache ein poetischer Text und was unter welchen Bedingungen Literatur wird. Damit hat er eine vollständig eigene Poetologie erschaffen, die in der heutigen Geschwätzigkeit des Kulturbetriebs eine erholsame Insel darstellt – ein verlässliches Gegengift gegen literarische Naivität, eine subtile Psychoanalyse der Literatur, inspiriert vom französischen Strukturalismus.
SCHREIBEN. Vom Leben der Texte. C. H. Beck Verlag 2012
IDYLLE, RÜCKWÄRTS. Gedichte aus drei Jahrzehnten.
ICH HIELT MEINEN SCHATTEN FÜR EINEN ANDEREN UND GRÜSSTE. Roman. C. H. Beck Verlag 2008
Oswald Egger
Oswald Egger, aus dem Südtirol, lebt heute in Wien und auf der Raketenstation Hombroich bei Neuss, einer Einladung des inzwischen verstorbenen Lyrikers Thomas Kling folgend. Mit Thomas Kling verband ihn, neben dem Glauben an die Magie der Worte, die Liebe zur Südtiroler Landschaft, zum Gelände des spätmittelalterlichen ungestümen Troubadours Oswald von Wolkenstein – Kling verfasste den Monolog WOLKENSTEIN. MOBILISIERUNG. Seinen heutigen Nachfolger auf Hombroich nannte er mit schalkhafter Wertschätzung «... das Ungeheuer Horaz mit italienischem Pass.» Lange Jahre leitete Oswald Egger die renommierten Kulturtage in Lana und gab die Zeitschrift «Der Prokurist» heraus.
In seiner Poesie geht es Egger um eine Reflexion dessen, was Sprache ist, um eine kontinuierliche Arbeit an den Grenzen ihrer Ausdrucksmöglichkeiten. Die Wirklichkeit erscheint in seinen Gedichten in immer neuen sprachlichen Zusammenhängen. Ihn lesen zu hören ist ein einmaliges Erlebnis, denn viele seiner Texte sind eigentlich Sprech-Partituren, die sich erst beim lauten Lesen erschliessen.
Oswald Egger ist einer der wenigen Dichter, die eine zur blossen Verständigungsroutine verdünnte Sprache wieder zu Kräften kommen lassen und deshalb in seiner Generation noch für die vergangenen und die nächsten Generationen sprechen können.
In diesem Frühjahr erschien der Prosaband EUER LENZ. Darin geht Oswald Egger wie ein Ossian (Sänger aus der gälischen Mythologie) des Südens durchs Gebirge und an die Schelmgrenzen des Verstandes, unterläuft und überschreitet die stetigen, gedachten Linien einer Genealogie, welche beständig ineinander übergingen wie gedachte Schatten selbanderm Schlag: Sie fliehen den, der sie sieht und sie folgen dem, der sie zieht.
EUER LENZ. Prosa. Suhrkamp Verlag 2013
DIE GANZE ZEIT. 800 wortdichte, einnehmende, mit sprachlichem Aplomb vom Autor typografisch gestaltete Seiten.
DISKRETE STETIGKEIT, POESIE UND MATHEMATIK.
Isabelle Flükiger
Einen Roman BESTSELLER zu nennen ist mutig und in diesem Fall absolut folgerichtig: Denn die weibliche Hauptfigur des Romans hofft durch das Schreiben eines Bestsellers der empfundenen Mittelmässigkeit ihres Glücks zu entkommen. Programmatisch scheint die Einschätzung: «Wir haben Geisteswissenschaften studiert wie alle Welt, jetzt arbeiten wir wie alle Welt. Wir lieben uns, später werden wir Kinder haben. Der Weg ist abgesteckt.» Und genau diesen Weg wollen sie verlassen, denn nichts scheint ihr und ihrem Freund schlimmer als die Mittelmässigkeit – eine Obsession, die sie mit der Autorin teilen. Und dann bringt ausgerechnet «Gabriel», ein kleiner Hund, das Leben der beiden durcheinander.
Isabelle Flükiger lässt ihre Erzählerin einen – wie die NZZ am Sonntag schreibt – «illusionsfreien Blick in die Niederungen und Abgründe des helvetischen Alltags werfen. Aber (...) selbst der gelegentlich drohenden Leere im Leben der Protagonisten hält die Erzählerin auf geschmeidige Weise eine trotzige Heiterkeit entgegen – die zugleich immer deutlich macht, wogegen sie sich stemmt.»
Isabelle Flükiger wurde 1979 im westschweizerischen Freiburg geboren. Nach ihrem Studium der Politik- und Literaturwissenschaft und einem längeren Berlin-Aufenthalt lebt sie heute in Bern, wo sie Teilzeit in der Bundesverwaltung arbeitet und nach eigenen Angaben in einem Portrait im «Bund» die «Anonymität der Grossstadt» geniesst.
Flükiger schreibt seit frühster Jugend, Schreiben ist für sie «Raum totaler Freiheit». In der Romandie ist Sie bereits seit längerem keine Unbekannte mehr: BESTSELLER ist ihr vierter Roman, aber der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde.
BESTSELLER. Roman. Aus dem Französischen von
L’ESPACE VIDE DU MONSTRE. Roman. édition de l’Hèbe 2007
SE DÉBATTRE ENCORE. Roman. L’Âge d’Homme 2004
Jonathan Safran Foer
Jonathan Safran Foer, geboren 1977, ist einer der erfolgreichsten jüngeren amerikanischen Autoren. Seine beiden Romane EXTREM LAUT UND UNGLAUBLICH NAH und ALLES IST ERLEUCHTET wurden mit so bekannten Hollywoodschauspielern wie Tom Hanks, Sandra Bullock und Elijah Wood in den Hauptrollen verfilmt.
Wen das eher abschreckt, dem sei eine Lektüre doppelt empfohlen, denn Jonathan Safran Foer ist nicht nur ein begnadeter Geschichtenerzähler, er nutzt die Mittel der Sprache oder besser der gedruckten Kommunikation auf linguistisch überraschende Weise: Was er in seinem Debüt ALLES IST ERLEUCHTET bereits begonnen hatte setzt er in EXTREM LAUT UND UNGLAUBLICH NAH fort – dort finden sich farbliche Abhebungen, ein fotografisches Daumenkino und weitere setzerische Finessen – um es dann in TREE OF CODES auf die Spitze zu treiben: Das Buch ist genau genommen die englische Übersetzung des ursprünglich polnischen Romans ZIMTLÄDEN von Bruno Schulz, den Jonathan Safran Foer quasi neu geschrieben hat, indem er Wörter aus dem Text herausgeschnitten hat, so dass sich ein neuer Sinn ergibt. Die unglaubliche Arbeit erscheint als unübersetzbar, das nach dem Ausschneiden übrig gebliebene Textskelett ist jedoch mehr als blosser Inhalt, es ist vielmehr Wahrnehmungs- und Sinngrenzen auslotendes experimentelles Buchobjekt.
Und Jonathan Safran Foer ist auch ein Vegetarier, der gerne Wurst isst, es aber nicht tut. Sein erzählendes Sachbuch TIERE ESSEN, in dem er ebenso undogmatisch wie kenntnisreich die Produktionsbedingungen hinter der Fleischeslust erläutert, hat schon viele Wurstliebhaber zur Käseplatte bekehrt.
TIERE ESSEN. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit,
TREE OF CODES. Nur auf Englisch erhätlich. Visual Editions. 2010
EXTREM LAUT UND UNGLAUBLICH NAH. Roman. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Kiepenheuer & Witsch 2005, 2010. Fischer Taschenbuch 2007
ALLES IST ERLEUCHTET. Roman. Aus dem Englischen von
Nora Gomringer
Was versteckt sich unterm Bett? Oder im Wandschrank? – Die Schrecken der Kindheit hinterlassen Spuren. Später lernen wir dann die Gestalten kennen, vor denen sich die Menschen schon seit Urzeiten fürchten, und Hollywood lässt uns im Kinosessel zusammen zucken.
In Nora Gomringers jüngstem Gedichtband MONSTER-POEMS tummeln sich Monster aus der Populärkultur in trauter Eintracht mit den verdrängten Schrecken der Kindheit, den Archetypen des Grauens und – sanft eingestreut – sind da auch noch die Monster, die wir erst durch Gomringers Gedichte als solche erkennen.
Dass Nora Gomringer eine der wichtigsten Lyrikerinnen ihrer Generation ist, steht spätestens seit ihrem Gedichtband KLIMAFORSCHUNG fest. Dabei ist die 1980 geborene Dichterin auch Direktorin des Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg und eine gefragte Publizistin und Rednerin. Auch wenn ihre Anfänge in der Spoken-Word-Szene es nicht nahelegen, hat Nora Gomringer auch keine Scheu vor den schwierigen und harten Themen. Ihre Holocaust-Gedichte gehören zum Berührendsten, was von der jüngeren Dichterriege vorliegt.
Ihren Erfolg als Dichterin verdankt Nora Gomringer neben ihrem virtuosen Umgang mit der Sprache auch ihren Auftrittsqualitäten: Durch eine klassische Gesangsausbildung verfügt sie über eine Ausdruckskraft und darüber hinaus über eine, man möchte fast sagen: Spielfreude, dass sie bis in den letzten Sprachwinkel reicht. Steht Nora Gomringer auf der Bühne, dann spricht, ruft, hallt, zischt, flüstert, singt und jubiliert es.
Das Buch MONSTER-POEMS ist im Übrigen ein mehrfacher Genuss: Die Dichterin selbst hat ihre Werke für die beiliegende Audio-CD eingelesen, und Reimar Limmer hat die Monster in schaurig-schönen Illustrationen eingefangen.
Monster Poems. Mit Illustrationen von Reimar Limmer und Audio-CD. Voland & Quist 2013
ICH WERDE ETWAS MIT DER SPRACHE MACHEN. Essays, Glossen und Reden. Voland & Quist 2011
MEIN GEDICHT FRAGT NICHT LANGE. Gedichte.
NACHRICHTEN AUS DER LUFT. Gedichte. Voland & Quist 2010
Helon Habila
Helon Habila, 1967 in Nigeria geboren, studierte Literatur und lehrte an der Universität, bevor er nach Lagos ging, um dort als Journalist zu arbeiten. Heute lehrt er kreatives Schreiben an der George Mason University in Fairfax und lebt mit seiner Familie in den USA und Nigeria. Ab Juli 2013 ist er für ein Jahr Stipendiat des DAAD in Berlin. Bereits sein erstes literarisches Werk WAITING FOR AN ANGEL wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Weitere Erfolge auf internationaler Ebene.
Habila wird seinen dritten Roman OIL ON WATER, der im Original 2010 erschienen ist, am Literaturfestival Leukerbad vorstellen. Es ist der erste Roman, der auf Deutsch erscheint. Die Geschichte spielt im Nigerdelta, wo internationale Ölkonzerne ebenso wie Rebellengruppen rücksichtslos gegen Natur und Menschen agieren, immer auf den grössten Profit aus. Helon Habilas Roman setzt ein, als die Ehefrau eines hochrangigen Mitarbeiters einer Ölgesellschaft verschwindet. Der junge Journalist Rufus macht sich mit dem gealterten Starreporter Zaq auf die Suche nach der Entführten, eine Reise ins «Herz der Finsternis». Der Entmenschlichung, der sie dabei begegnen, sind sie nicht gewachsen.
«Die Zeit» hält fest: «Selten war ein Kriminalroman so poetisch und so notwendig.» Doch ÖL AUF WASSER ist nicht nur Umweltkrimi, sondern gleichermassen Bildungsroman, Politthriller und anrührende Liebesgeschichte. Dass das Buch im deutschsprachigen Raum vor allem als Krimi wahrgenommen wird, beschert ihm die verdiente breite Aufmerksamkeit, die sich hoffentlich auf das übrige Werk Helon Habilas, der in den USA und England längst eine feste literarische Grösse ist, ausweiten wird.
Veröffentlichungen in deutscher Sprache:
ÖL AUF WASSER. Roman. Aus dem Englischen von
Veröffentlichungen in englischer Sprache:
WAITING FOR AN ANGEL. Novel. Penguin 2003
MEASURING TIME. Novel. Taschenbuchausgabe. Penguin 2010
Antjie Krog
Sie sei der weibliche Pablo Neruda des Afrikaans, sagte vor vielen Jahren einmal die südafrikanische Literaturwissenschaftlerin Joan Hambridge über die 1952 geborene Lyrikerin und Autorin Antjie Krog. Tatsächlich hat Krogs Stimme in Südafrika – jenem Vielvölkergemisch, das 1994 unter seinem ersten schwarzen Präsidenten Nelson Mandela das grausame Apartheidsystem überwand – fast ikonischen Charakter, hat sie doch den langen und schwierigen Weg des Landes in ihren Schriften von Anfang an mit Empathie und Unerschrockenheit begleitet.
Die schwierige, da stets ambivalente Bestimmung der Identität im Schnittfeld zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen bildet eine der Kernfragen ihrer Poetik.
Krog selbst bezieht von Anfang an auch als Journalistin Position. Ab 1974 veröffentlicht sie erste Artikel; 1993/94 fungiert sie als Herausgeberin des seinerzeit tonangebenden, linken Magazins «Die Suid-Afrikaan». Sie wechselt zum Radio und wird 1996 zur massgeblichen Stimme jener, die kontinuierlich über die Arbeit der 1996 von Mandela eingesetzten Wahrheits- und Versöhnungskommission berichten. Antjie Krog, die Lyrikerin, wird unter ihrem verheirateten Namen Antjie Samuel zur Chronistin einer Ära von Verbrechen und Unmenschlichkeit. Um das unermessliche Leid, das ans Tageslicht kommt, zu verarbeiten, hält sie die Geschichten der Opfer und Täter fest: 1998 erscheint «Country of my skull», das wichtige Dokument einer Nation, die um der Zukunft willen in den Spiegel der eigenen Vergangenheit blickt: «Jeder Südafrikaner», so äusserte sich Krog in einem Interview, «hat nur ein halbes Gedächtnis – ein weisses oder ein schwarzes. (...) Durch die Wahrheitskommission gibt es zum ersten Mal eine gemeinsame, zusammenhängende Erinnerung an Südafrikas Vergangenheit.»
In Zusammenarbeit mit dem DAAD –
Veröffentlichungen in deutscher Sprache:
«DER GRUND, WARUM MAN POESIE MAG, LIEGT DARIN, DASS MAN SIE HÖRT, WENN MAN SIE LIEST». In: Manfred Loimeier: Wortwechsel. Gespräche mit afrikanischen Autorinnen und Autoren. Horlemann Verlag 2002
Veröffentlichungen in englischer Sprache:
COUNTRY OF MY SKULL. GUILT, SORROW, AND THE LIMITS OF FORGIVENESS IN THE NEW SOUTH AFRICA.
Michael Krüger
Michael Krüger, geboren 1943, lebt in München. Nach zwei parallel absolvierten Lehren als Verlagskaufmann und als Buchdrucker, während derer er noch Zeit findet, Philosophievorlesungen zu besuchen, arbeitet er als Buchhändler in London, ab 1968 als Lektor im Carl Hanser Verlag, den er seit 1986 literarisch und seit 1995 auch unternehmerisch leitet. Er ist Autor mehrerer Gedichtbände, Geschichten, Novellen und Romane.
Die «Die Welt» schreibt 1999: «Michael Krügers doppelte Ausrichtung, die Bodenhaftung einerseits und das Strecken nach den ätherischen Höhen der Philosophie und Poesie andererseits beflügeln den Mythos vom Verleger-Schriftsteller.» Und 2011, als bereits feststeht, dass Michael Krüger seine Verlegerpflichten Anfang 2014 in neue Hände legen wird, schreibt Iris Radisch in «Die Zeit»: «Michael Krüger ist das Urmodell eines Verlegers alter Art. Sein Instinkt für zukünftige Büchner- und Nobelpreisträger ist legendär.»
Michael Krüger selbst sieht Gedichte als die vornehmste Art der Literatur und hat sich zum Ziel gesetzt, «den Menschen zu zeigen, dass ein Tag ohne die Lektüre eines Gedichts ein verlorener Tag ist.» In der Gedichtsammlung INS REINE knüpft er an Naturlyrik an, ohne zu romantisieren, er entschleunigt gewissermassen die Welt; seine Lyrik ist genügsames Sehnen, ohne Erfüllung zu erwarten.
Nach seinem Abtritt als Verleger hat Michael Krüger umfangreiche Pläne: «Dann habe ich hoffentlich mehr Zeit für einen schon vor längerem begonnenen Roman. Er wird über 800 Seiten haben (...). Das wird eines der grossen Bücher (Lachen)... des Jahres 2016.»
Am Literaturfestival Leukerbad wird Michael Krüger nicht nur seine Gedichte vorstellen, sondern auch ein Gespräch mit dem angehenden Verlagsleiter des Hanser Verlag, seinem Nachfolger Jo Lendle führen.
INS REINE. Gedichte. Suhrkamp Verlag 2010
LITERATUR ALS LEBENSMITTEL. Reden und Aufsätze.
KURZ VOR DEM GEWITTER. Gedichte. Suhrkamp Verlag 2003
ARCHIVE DES ZWEIFELS. Gedichte aus drei Jahrzehnten. Suhrkamp 2001
Hartmut Lange
Der deutsche Schriftsteller Hartmut Lange verfasst seit über dreissig Jahren Novellen und kultivierte so diese literarische Form. Zu schreiben begonnen hat Hartmut Lange in der damaligen DDR als Dramatiker. Ende der 1950er-Jahre studierte Lange an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg Dramaturgie. Von 1961 bis 1964 arbeitete er als Dramaturg am Deutschen Theater in Ostberlin. Sein für das Deutsche Theater verfasste Stück MARSKI fiel 1963 der Zensur zum Opfer.
Der Autor verliess 1965 über Jugoslawien die DDR und wandte sich der Prosa zu, hier vor allem der Form der Novelle, einer weniger beachteten Gattung. Nicht zuletzt dadurch blieb Hartmut Lange immer ein Geheimtipp.
Hartmut Lange betrachtet nicht nur das aktuelle Geschehen, sondern blickt auch auf das Ewige, Immer-Wiederkehrende im Menschen – so auch in seinem neuen Novellen-Band DAS HAUS IN DER DOROTHEENSTRASSE. Fünf kleine Meisterwerke sind es diesmal, die wie gewohnt die Realität hin zur Surrealität öffnen.
Hartmut Lange beschreibt die menschliche Fähigkeit, den eigenen Gedanken mehr Realität zu geben als dem gewohnten Alltag. Was ist Wirklichkeit, was Lebenslüge? War die bisherige Gewohnheit nur Wegschauen und nun ist man aufgewacht? Das blosse Denken einer Möglichkeit wird zur Obsession, der kaum entkommen werden kann.
«Gute Romane werden von Leuten geschrieben, die keine Angst haben», schrieb einmal George Orwell. Hartmut Lange ist, auch wenn er neben all seinen Novellen und Erzählungen nur einen einzigen Roman vorgelegt hat, ein solcher Furchtloser: ein unerschrockener Kämpfer an der Front der Worte, der sich dort immer neu seinen Ängsten stellt.
DAS HAUS IN DER DOROTHEENSTRASSE. Novellen.
POSITIVER NIHILISMUS: MEINE AUSEINANDERSETZUNG MIT HEIDEGGER. Reden und Aufsätze. Matthes & Seitz 2013
IM MUSEUM. Roman. Diogenes Verlag 2011
GESAMMELTE NOVELLEN IN ZWEI BÄNDEN.
Katja Lange-Müller
Katja Lange-Müller ist 1951 in Ostberlin geboren. Nachdem sie mit 16 Jahren wegen «unsozialistischen Verhaltens» von der Schule verwiesen worden war, machte sie eine Lehre als Schriftsetzerin, arbeitete später als Hilfspflegerin auf psychiatrischen Stationen, lebte ein Jahr in der Mongolei und verliess die DDR 1984, fünf Jahre vor dem Mauerfall.
Ihre Texte zeichnen sich durch einen feinsinnigen Sprachwitz und tiefempfundene Menschlichkeit aus. Oft handeln ihre Geschichten von Aussenseitern der Gesellschaft, deren Schicksale sie in der ihr eigenen, liebevollen, aber manchmal auch schnoddrig anmutenden Weise beschreibt. «Geschichten von der nicht so richtig putzigen, eher weniger salonfähigen Art», nennt Katja Lange-Müller ihre Vorgehensweise. Liebe zum Detail und die Fähigkeit, auf knappstem Raum Sprache zu entfalten, ist neben der Ironie wichtigstes Handwerkszeug der Autorin.
1988 gelang der Autorin mit KASPAR MAUSER – DIE FEIGHEIT VORM FREUND der literarische Durchbruch. Die Erzählung überwindet die deutsche Teilung bereits durch ihren scharfen und gleichzeitig bitteren Wortwitz, noch ehe die Mauer 1989 tatsächlich fällt. Immer wieder greift Katja Lange-Müller Themen aus ihrem eigenen Leben auf: Die Ostberliner Schulzeit der 1960er-Jahre in ihrem Roman VERFRÜHTE TIERLIEBE, die Arbeitswelt der 70er in DIE LETZTEN, die dem Ethos der untergegangenen Zunft der Drucker und Setzer ein Denkmal setzt, oder die ersten Jahre in Westberlin in BÖSE SCHAFE, einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen einem Junkie und einer Ostdeutschen.
Am Literaturfestival Leukerbad wird Katja Lange-Müller aus ihrem neuen, bisher unveröffentlichten Roman
lesen.
BÖSE SCHAFE. Roman. Kiepenheuer & Witsch 2007
DIE ENTEN, DIE FRAUEN UND DIE WAHRHEIT. Erzählungen und Miniaturen. Kiepenheuer & Witsch 2003
DIE LETZTEN: AUFZEICHNUNGEN AUS UDO POSBICHS DRUCKEREI. Kiepenheuer & Witsch 2000
Luljeta Lleshanaku
Luljeta Lleshanaku in Elbasan, Albanien, geboren, studierte Sprachen und Literatur in Tirana, wo sie auch heute lebt. Sie übersetzt aus dem Amerikanischen und ist Mitarbeiterin der Zeitung «Rlindja». In der Zeit der kommunistischen Diktatur war sie starken Repressionen ausgesetzt und konnte folglich erst nach dem Sturz Enver Hoxhas an der Universität studieren. Seit 1993 sind acht Gedichtbände von ihr erschienen.
Lleshanakus Gedichte erzählen jeweils Geschichten, die uns allen nahe gehen, weil wir die Protagonisten auch aus eigener Erfahrung kennen: Väter, die man nicht oft genug besucht, der Geschmack von Milch, die erste Rasur. Doch so wie die Autorin diese Bekanntheiten beschreibt, haben wir sie noch nie gesehen. Ihre Poesie ist von grosser Genauigkeit, eindringlich, feinsinnig und humorvoll. Jede Wendung ist überraschend, wirkt aber dennoch nicht gesucht, sondern wie natürlich gewachsen und von unverwechselbarer Hellsichtigkeit.
In KINDER DER NATUR, bisher der einzige Gedichtband von Luljeta Lleshanakut, der ins Deutsche übersetzt wurde, macht sie sich auf die Suche nach ihrer Kindheit und damit ihrer Erinnerung an die Zeit, als sich der albanische Kommunismus auf seinem Höhepunkt befand. Es ist eine Zeit der heimlichen Gebete, weil Religionsausübung verboten war, eine Zeit der heimlich gelesenen Bücher, weil ein Grossteil der europäischen Literatur von der Zensur verboten war. Hier – zwischen Bergdörfern, Kastanien und wegbrechender Zukunft, wo der «Frühling die Einsamkeit mit seiner Einsamkeit tötet» – tut sich niemand leid, und es gibt weder Opfer noch Täter, höchstens eine Art höhere Macht, mit der man umgehen und leben muss.
KINDER DER NATUR. Gedichte. Albanisch/Deutsch. Aus dem Albanischen von Andrea Grill. Edition Korrespondenzen 2010
Jo Lendle
Jo Lendle wurde 1968 in Osnabrück geboren. Lendle studierte Kulturwissenschaften und Animation Culturelle und absolvierte das Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er war Herausgeber der Literaturzeitschrift «Edit» und als Dozent und Gastprofessor an verschiedenen Universitäten tätig. Bis Ende März 2013 war er Verleger des DuMont Literaturverlages, ab 2014 wird er Michael Krüger nachfolgen als Verleger des Hanser Literaturverlags. Auf diese Personalie schaut die Branche gebannt: Jo Lendle gilt als zeitgeistiger Verleger, der den neuen Medien offen gegenüber steht. Einhellig wird ihm zugetraut, die Spur, die Michael Krüger gezogen hat, unter den aktuellen Vorzeichen fortzuführen.
Neben seiner verlegerischen Tätigkeit schreibt Jo Lendle wunderbare Romane, was anfangs, wie er in einem Interview mit dem Poetenladen berichtet, schwierig gewesen sei, denn «als Lektor hat man eine Position, die Literatur immer in Zweifel zieht, und als Autor muss man einen grossen Grad an Übereinstimmung mit der eigenen Literatur haben. Dazwischen gilt es zu vermitteln.» Das gelingt ihm in der Zwischenzeit meisterhaft.
In seinem Roman ALLES LAND über Alfred Wegener, den Polarforscher und Entdecker der Kontinentaldrift, nimmt er seine Leser mit – ganz weit ins ewige Eis und erspart ihnen keine der physischen und psychischen Strapazen. Doch Jo Lendle ist ein sicherer und charismatischer Reiseführer – ihm auf seinen poetischen Wegen zu folgen ist eine Freude.
Am Literaturfestival Leukerbad wird Jo Lendle nicht nur seinen Roman vorstellen, sondern auch ein Gespräch mit dem abtretenden Verlagsleiter des Hanser Verlag, seinem Vorgänger Michael Krüger führen.
ALLES LAND. Roman. DVA 2011
MEIN LETZTER VERSUCH DIE WELT ZU RETTEN. Roman.
DIE KOSMONAUTIN. Roman. DVA 2009
Gertrud Leutenegger
Gertrud Leutenegger ist in Schwyz aufgewachsen, hat später auch in der französisch- und in der italienischsprachigen Schweiz gelebt. An der Zürcher Schauspielakademie hat sie Regie studiert und 1978 am Hamburger Schauspielhaus als Regieassistentin bei Jürgen Flimm gearbeitet. Nach zahlreichen Reisen und Aufenthalten in Florenz und Berlin hat die Autorin längere Zeit in Japan gelebt. Heute wohnt Gertrud Leutenegger in Zürich.
Sie ist eine grosse Erzählerin, selbst dort, wo sie sich essayistisch auseinandersetzt mit der Welt, in der sie lebt – ihren Orten und Landschaften und deren drohendem Zerfall. Ihre Bücher haben eine eigene Gangart. Sie schreibt in einer wunderbar empfindsamen Sprache der leisen Wörter. In ihren Romanen und Texten versucht sie nie, die Widersprüche des Alltags zu glätten oder aufzulösen.
Leuteneggers Erzählen ist daher von einer leisen, aber eindringlichen Poesie bestimmt, die sich orientiert an den Zuständen der Luft, an nächtlichen Traumsequenzen und an Erinnerungen, die als Stimmungen der Figuren immer wieder auftauchen.
Zu ihrem letzten Roman schreibt Christine Lötscher im Tages-Anzeiger: «In all ihren Texten verbindet Leutenegger die Zartheit und Genauigkeit des Blicks mit einem energischen Zugriff, wenn es um die Verknüpfung von Motiven geht. In diesem Buch gelingt es ihr, aus diesen Sprachbildgefügen heraus eine Geschichte mit einer starken Sogwirkung zu erzählen, die sich ganz von Handlungselementen emanzipiert hat. Aus diesem Grund ist Matutin nicht nur einer der schönsten, sondern auch einer der innovativsten Romane Gertrud Leuteneggers.»
Gertrud Leutenegger wird am Literaturfestival Leukerbad erstmals aus ihrem neuen Roman PANISCHER FRÜHLING lesen, der 2014 erscheinen wird.
MATUTIN. Roman. Suhrkamp Verlag. Berlin 2008
GLEICH NACH DEM GOTTHARD KOMMT DER MAILÄNDER DOM. Suhrkamp Verlag. Berlin 2006
POMONA. Roman. Suhrkamp Verlag. Berlin 2004
Jonas Lüscher
Jonas Lüschers literarisches Debüt FRÜHLING DER BARBAREN wurde viel gelobt und noch mehr gelesen – obwohl das Buch erst im Januar dieses Jahres erschienen ist, lag im April bereits eine zweite Auflage vor.
Zentraler Protagonist von Jonas Lüschers Novelle ist der Schweizer Fabrikerbe Preising, der auf einer Geschäftsreise in einem tunesischen Luxusresort Zeuge aufwändiger Hochzeitsvorbereitungen von reichen Engländern aus der Londoner Finanzwelt wird – gerade als sich die wirtschaftlichen Krisensignale zur Katastrophe verdichten: Das britische Pfund stürzt ab, kurz danach ist England bankrott, mit unabsehbaren Folgen, die auch Tunesien nicht unberührt lassen. Preising, als Schweizer zwar von den schlimmsten Folgen ausgenommen, muss miterleben, wie dünn die Decke der Zivilisation ist, und lernt seine ganz eigene Lektion in Globalisierung, denn seine Firma lässt in Tunesien fertigen.
Der Tages-Anzeiger hält fest, dass FRÜHLING DER BARBAREN Literatur ist, «sich ihrer Künstlichkeit bewusst und diese inszenierend» und «auf unser Selbstverständnis, auf Defizite und Notwendigkeiten zielt.»
Der 1976 in der Schweiz geborene Jonas Lüscher lebt in München. Nach einer Ausbildung als Primarschullehrer in Bern und einigen Jahren in der deutschen Filmindustrie studierte er an der Hochschule für Philosophie in München. Derzeit arbeitet er als Doktorand am Lehrstuhl für Philosophie der ETH Zürich. Das Thema seiner Doktorarbeit ist bemerkenswert: Er versucht darin zu zeigen, dass Narrationen im Gegensatz zu den «zurzeit favorisierten» mathematischen Modellen das geeignetere Werkzeug sind, um komplexe soziale Probleme zu beschreiben. Dabei differenziert er: «Ich glaube nicht, dass man Literatur so schreiben kann und auch nicht so lesen sollte, als Beschreibungen beispielhafter Figuren oder Vorkommnisse, aus denen sich Schlüsse ziehen und ganze Typologien bilden lassen.»
FRÜHLING DER BARBAREN. Novelle. C. H. Beck 2013
Roger Monnerat
Roger Monnerat, Jahrgang 1949, engagierte sich in der damaligen Neuen Linken, ist Mitbegründer der Wochenzeitung W0Z, wo er bis 2003 als Redaktor arbeitete, und Mitbegründer der Basler Stadtzeitung «Dementi». Seit 2000 tritt er zusammen mit Stephan Anastassia mit «eigenen und anderen Liedern» auf, die laut Viceversa Literatur an «alte Traditionen des Bänkel und Minnesangs anknüpfen».
Am Literaturfestival Leukerbad gehört er zu den bekannten Gesichtern: er ist nach 2000, 2002, 2006 und 2012 bereits zum fünften Mal zu Gast; in diesem Jahr wird er seinen neuen Roman vorstellen, der – wie fast alle Bücher Monnerats – einen Titel hat, der an sich schon eine Geschichte erzählt: DAS MARIENBADSPIEL – UND EIN MERCEDES FÜR MARJAMPOLE. Wie der Mercedes im Titel schon nahe legt, haben wir es mit einem Roadmovie zu tun, aber eben nicht nur. Roger Monnerat erzählt die Geschichte von Gianluca Pelli, einem Italiener aus Karlsruhe, und René Dubois, einem Franzosen aus Basel. Gemeinsam fahren sie von Karlsruhe nach Marienbad. 300 Kilometer auf Nebenstrassen, durch ein altes Land, in dem eine chinesische Filmequipe Hermann Hesses NARZISS UND GOLDMUND verfilmt. Pelli besitzt einen Mercedes, Jahrgang 1988, mit Zierleiste aus Kirschenholz und Weisswandreifen. Dubois kann fahren.
In Marienbad angekommen, begegnen Pelli und Dubois den Zwillingsschwestern Anna und Olga Stanec und die Dinge nehmen ihren Lauf. Das Waldhotel brennt ab, eine Bande von Halbstarken hat es auf die Weisswandreifen des Mercedes abgesehen. Pelli und Dubois sehen eine Kuh kalben – sie spielen das Marienbadspiel.
DAS MARIENBADSPIEL – UND EIN MERCEDES FÜR MARJAMPOLE. Ein Bericht. Bilgerverlag 2013
KATZENPFADE. Hinterhof, Garten und Vorstadt. 219 Strophen. édition sacré 2012
AM ENDE DER RHEIN. Vom Verschwinden der Realien im Hafen von Rotterdam. édition sacré 2011
Connie Palmen
Connie Palmen lebt in Amsterdam und ist bei uns keine Unbekannte. Ihr geschliffener Stil und der Reichtum ihrer Gedanken machen ihre Bücher kostbar. Auch wenn die Lektüre manchmal irritiert und zum Nachdenken auffordert – jede Seite ist es wert, gründlich gelesen zu werden. Ihr erster Roman DIE GESETZE, eine Sammlung unkonventioneller Liebesgeschichten, ein moderner Bildungsroman, eine brillant erzählte Geschichte von der Suche nach Glück und Selbstfindung, wurde zum Bestseller und Kultbuch der 1990er-Jahre. Connie Palmen ist somit eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Hollands.
Sechs Wochen nach dem Tod ihres Partners Hans van Mierlo beginnt die Autorin mit Notizen. «Ich muss gegen das Vergessen anschreiben», bemerkt Connie Palmen in dem entstandenen Buch LOGBUCH EINES UNBARMHERZIGEN JAHRES.
Connie Palmen und Hans van Mierlo standen beide in der Öffentlichkeit. Van Mierlo war einer der markantesten und beliebtesten Politiker der Niederlande; man nannte ihn den «Kennedy der Niederlande». In ihrem Buch schreibt Connie Palmen mit vielen Rückblenden in die Zeit ihres Zusammenseins über seine Erkrankung, seinen Tod und ihren Umgang mit Trauer und Verzweiflung. Es sind bewegende Notizen gegen das Vergessen.
Obwohl ihre Sprache radikal und nüchtern ist, kann man manchmal den grossen Seelenschmerz fast nicht ertragen und ist als Leser gleichermassen fasziniert und berührt.
Connie Palmen beschreibt hautnah, wie es ist, einen Menschen für immer zu verlieren, den man so sehr liebt. Trotz des Verlusts, des Schmerzes, der Trauer, der Zerrissenheit und der geteilten Einheit hat die Liebe in diesem besonderen Buch viel Raum.
LOGBUCH EINES UNBARMHERZIGEN JAHRES. Roman. Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag 2013
LUZIFER. Roman. Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag 2010
GANZ DER IHRE. Roman. Aus dem Niederländischen von
David Van Reybrouck
Wer das Wort Kongo hört, denkt unmittelbar an Gewalt in ihrer erschreckendsten Form – nicht von Sadisten, die in Staatsgefängnissen foltern, nicht als das Werk eines Psychopathen, der wild um sich schiesst, sondern als flächendeckendes Gemetzel an wehrlosen Menschen, ausgeführt von marodierenden Männern und sogar Kindern, geduldet von einer internationalen Gemeinschaft, die ihre Ressourcen, Soldaten und ihr Mitgefühl schont.
David Van Reybrouck erzählt die Geschichte Kongos, wie wir sie noch nie gelesen haben. Der Autor, der den Bogen von der kolonialen Gewaltherrschaft unter Leopold II. über die 32 Jahre währende Mobutu-Diktatur bis in die Gegenwart spannt, berichtet aus der Perspektive derjenigen, die in ihrem Land leiden, kämpfen, leben – im Mittelpunkt stehen die Träume, Hoffnungen und Schicksale der einfachen Bevölkerung.
Wenige Werke der Weltliteratur mussten so viele Interpretationen über sich ergehen lassen wie Joseph Conrads HERZ DER FINSTERNIS. Dabei geriet zuweilen aus dem Blick, dass die Erzählung eine sehr konkrete Darstellung der grausamen imperialen Praktiken im Freistaat Kongo am Ende des 19. Jahrhunderts war, den Conrad als Kapitän eines britischen Schiffes bereist hatte. In seinem fulminanten Buch bezeichnet David Van Reybrouck diesen Freistaat zu Recht als einen der merkwürdigsten Staaten, die es jemals auf subsaharischem Boden gab: «Dieses sonderbare Konstrukt ging in die Geschichte des Kolonialismus als Beispiel für extrem harsche Ausbeutung und Gewalt ein.»
Für sein Buch hat der Autor zahlreiche Reisen in das zentralafrikanische Land unternommen, in dem er einzigartige Interviews führen konnte. Die älteste Person, mit der er sprach, wurde 1882 geboren. Seine Stimme und die vieler hundert anderer, Kindersoldaten und Rebellenführer, Politiker und Missionare, machen dieses Buch zu einem Ereignis.
KONGO. Eine Geschichte. Suhrkamp Verlag 2012
Salman Rushdie
Salman Rushdie wurde 1947 in Mumbai geboren und studierte in Cambridge Geschichte. Mit seinem Roman MITTERNACHTSKINDER wurde er weltberühmt. Seine Bücher erhielten renommierte internationale Auszeichnungen, unter anderem den Booker Prize, und sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 1996 wurde ihm der Aristeion-Literaturpreis der EU für sein Gesamtwerk zuerkannt. 2008 schlug ihn die Queen zum Ritter.
Salman Rushdies Buch JOSEPH ANTON ist im letzten Jahr in 25 Ländern gleichzeitig erschienen. Er erzählt darin die Geschichte der Jahre, in denen er, nachdem Ayatollah Khomeini im Februar 1989 «sämtliche Muslime» aufgefordert hatte, ihn hinzurichten, einen falschen Namen tragen, in geheimen Wohnungen und unter ständiger Bewachung leben musste. Als Rushdie von der Polizei in ein Leben im Verborgenen abgeholt wurde, musste er sich einen neuen Namen geben: Er wählte «Joseph Anton», nach seinen Lieblingsautoren Joseph Conrad und Anton Tschechow.
Als die Führer der islamischen Revolution Salman Rushdie zu ihrem Feind erklärten, wussten sie, was sie taten. Der Autor war damals das literarische Versprechen einer neuen, bunten, multikulturellen Welt – und er war es geworden, weil er seine indische Herkunft mit dem Roman, einem westlichen Medium, verbunden hatte. Die Fatwa zielte deshalb auf Grösseres als auf einen Schriftsteller: Sie sollte trennen, sie sollte scheiden, sie sollte das Gemischte auseinandertreiben.
Der Leser kennt das Kapitel Weltgeschichte, das mit Salman Rushdie verknüpft ist, und wenn der Schriftsteller von diesen zehn Jahren im Ton der Gewöhnlichkeit erzählt, wirkt selbst der gemeinsame Auftritt mit Bono auf einem Konzert der Band «U2», als wäre da jemand mit einer Sopran-Ukulele unter dem Arm in eine Monstershow geraten – und dabei auf lauter andere Menschen mit Ukulelen unter den Armen gestossen.
JOSEPH ANTON. Die Autobiografie. Aus dem Englischen
OSTEN, WESTEN, GESCHICHTEN. Aus dem Englischen von Gisela Stege. rororo Taschenbuch 2010
SATANISCHE VERSE. Roman. Erstmals 1988 erschienen.
MITTERNACHTSKINDER. Roman. Erstmals 1983 erschienen.
Joachim Sartorius
Joachim Sartorius ist Lyriker, Essayist und Herausgeber der gesammelten Werke von Malcolm Lowry und William Carlos Williams. Er ist Übersetzer unter anderem von John Ashbery, Wallace Stevens und E. E. Cummings und hat den «Atlas der neuen Poesie» herausgegeben. Nachdem er zwei Jahrzehnte im diplomatischen Dienst in New York, Istanbul, Prag und Zypern verbracht hatte, wurde er Generalsekretär des Goethe-Instituts und leitete die Berliner Festspiele von 2001 bis 2011.
Es gibt kaum einen mächtigeren Vermittler von und in der Lyrik als Joachim Sartorius. Reisen zwischen Kontinenten, Kulturen und Epochen, Begegnungen und Lektüren prägen sein Werk. Er zeigt auf, dass Lyrik nicht ausschliesslich eine europäische Angelegenheit ist. Neben seiner Lyrik schreibt Joachim Sartorius auch immer wieder Geschichten seiner Aufenthalte, vor allem in den mediterranen Gebieten.
Drei Jahre hat Joachim Sartorius auf Zypern gelebt – jetzt kehrt er dorthin zurück, zu den Kulturen und Legenden, zu Farben und Licht der Levante. Er spürt den vielen historischen und seelischen Sedimenten nach, der bewegten Geschichte der Insel, ihrer Teilung nach der türkischen Invasion im Jahre 1974 und der schwierigen aktuellen Situation. Und doch ist dieses Buch nicht das eines Historikers oder Politologen, sondern das eines Dichters, der anhand guter Freunde – Inselgriechen wie Inseltürken – Zypern zu verstehen sucht.
Das Reisen, das schmerzlich intensive Erinnern und das Meditieren «Am Arbeitsplatz» sind für Joachim Sartorius
allesamt vielschichtiger Ausdruck für das Schreiben und geben Antwort auf die von ihm hartnäckig gestellte Frage nach dem besonderen Ort, den das Gedicht bereitstellt.
MEIN ZYPERN. Mare Verlag 2013
DIE PRINZENINSELN. Mare Verlag 2009
HÔTEL DES ÉTRANGERS. Gedichte.
Marie-Luise Scherer
Jede Gilde hat ihre Gottheiten. Unter den Journalisten ist es die langjährige «Spiegel»-Mitarbeiterin Marie-Luise Scherer, deren Stil für viele zur Leitlinie und deren Reportagen zum Muster einer Gattung wurden.
Marie-Luise Scherer ist keine Geschichtenerzählerin. Trotzdem trägt die Neuauflage ihrer Pariser Reportagen den Titel DIE BESTIE VON PARIS UND ANDERE GESCHICHTEN. Sie gehören «zum Kernbestand der deutschen Literatur der letzten Jahrzehnte» so Hans Magnus Enzensberger.
Die Reportagen sind in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren für den «Spiegel» entstanden. In den Achtzigerjahren versetzte ein Serienmord an französischen Rentnerinnen das Pigalle-Viertel in Angst und Schrecken – Ereignisse, die Scherer in hyperrealistischer Diktion nachzeichnet. Ungerührt schildert sie die letzten Lebensstunden der Ermordeten sowie die Verlockungen der Pariser Halbwelt. Ohne Sendungsbewusstsein streift sie dabei die Themen Gewalt, Rassismus und Prostitution. Hinter den Raubmorden liegt die Lebensgeschichte zweier Männer, die als Aussenseiter im doppelten Sinne – als schwarze Stricher – nach ihrer Festnahme zu «Bestien» stilisiert werden. Sie scheinen allen Klischees über ihr Milieu zu entsprechen, sind Produkt und Bedrohung der französischen Gesellschaft gleichermassen.
Marie-Luise Scherers grosse Reportagen über die Pariser Prêt-à-porter-Schauen, über den letzten Surrealisten Philippe Soupault sowie über Volker Schlöndorffs Verfilmung von Prousts «Recherche» waren 2004 in «Die Andere Bibliothek» erschienen. Sie sind nun beim Matthes & Seitz Verlag wieder zu entdecken: Sprachlich ausgefeilte Tatsachenberichte, Geschichten am Ende eben doch, die niemand so beeindruckend gut zu erzählen weiss wie diese vielfach preisgekrönte Reporterin. Marie-Luise Scherer ist, mit einem Wort, die Historikerin des ungeheuren Alltags.
DIE BESTIE VON PARIS UND ANDERE GESCHICHTEN.
Robert Schindel
Rund zwanzig Jahre nach seinem Roman GEBÜRTIG präsentiert Robert Schindel seinen zweiten Roman, DER KALTE. Dieser spielt im Wien der 1980er-Jahre und erzählt von der typisch intellektuell-künstlerischen Kaffeehausszene, von Privatem und Politischem. Entstanden ist ein komplexes Werk, in dem viele Figuren an reale Personen aus der damaligen Intellektuellen-, Polit- und Künstlerszene erinnern.
Mit seinen Romanen ist Robert Schindel ein Werk gelungen, das es dem Vergessen schwer macht, die Vergangenheit in die Geschichtsbücher abzuschieben. Wenn Fakten Gesichter bekommen, wenn Schicksale nicht länger in Jahreszahlen gefangen sind, dann liegt das an der Kunst eines Schriftstellers, von seiner Zeit zu erzählen, so dass wir seine Bilder im Kopf behalten und sie hinterfragen. Es ist eine Auseinandersetzung mit Österreichs politischen Mythen, den Versuchen des Vergessens und der Angemessenheit von Erinnerung.
Die Waldheim-Affäre, die in der österreichischen Gesellschaft der 80er-Jahre als Katalysator wirkte, markiert das politische Gelände des Romans, in dem noch zwei weitere historisch reale Skandale ihren Platz haben: Der Skandal um Thomas Bernhards Stück «Heldenplatz », das 1988 uraufgeführt wurde, just zum 50. Jahrestag des Anschlusses, und die Auseinandersetzung um Alfred Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Faschismus. Sie fällt ebenfalls ins Jahr 1988. Das gesamte realhistorische Personal dieser Ereignisse und der Zeit von 1985 bis 1989 bevölkert Robert Schindels Roman.
Robert Schindel, 1944 in Bad Hall geboren, erlebte die Verhaftung seiner Eltern und deren Deportation. Der Vater starb im KZ Dachau, die Mutter überlebte Auschwitz. Er bezeichnet Wien als die «Vergessenshauptstadt». Robert Schindel wird in Leukerbad erstmals in der Schweiz seinen neuen Roman DER KALTE vorstellen.
DER KALTE. Roman. Suhrkamp Verlag 2013
MAN IST VIEL ZU FRÜH JUNG. Essays und Reden.
MEIN MAUSKLICKENDES SAECULUM. Gedichte.
GEBÜRTIG. Roman. Suhrkamp Verlag 1992/1994